Die Auswahl des Deckrüden

Die Wahl des Deckrüden prägt die genetische Zukunft Ihrer Zuchtlinie entscheidend. Mit einem systematischen 5-Schritte-Prozess treffen Sie fundierte Entscheidungen zwischen Merkmalsverbesserung, Inzuchtmanagement und genetischer Vielfalt. Lernen Sie, moderne Zuchtwerte zu nutzen oder eigene Bewertungssysteme zu entwickeln – für gesunde, wesensfeste Nachkommen.

Einleitung

Die Wahl des Deckrüden ist eine der folgenreichsten Entscheidungen in der Hundezucht. Während die Qualität der Zuchthündin das Fundament Ihres Zuchtprogramms bildet, bestimmt der Deckrüde maßgeblich die genetische Richtung der kommenden Generation. Diese Entscheidung wirkt weit über den einzelnen Wurf hinaus und prägt die Entwicklung Ihrer Zuchtlinie für Jahre.

Erfolgreiche Hundezucht erfordert die Balance zwischen drei zentralen Zielen: Sie wollen erstens gezielt Merkmale verbessern, die für Ihre Rasse und deren Verwendungszweck wichtig sind. Zweitens müssen Sie die Gesundheit und Vitalität Ihrer Hunde langfristig sichern. Drittens gilt es, die genetische Vielfalt zu erhalten, um Ihrer Rasse Anpassungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit zu bewahren. Die Kunst besteht darin, diese teilweise konkurrierenden Ziele in Einklang zu bringen.

Nach diesem Kapitel werden Sie

  • in der Lage sein, einen systematischen Auswahlprozess durchzuführen, der von der Analyse Ihrer Hündin über die Kandidatensuche bis zur finalen Entscheidung reicht.

  • wissen, wie Sie die verfügbaren Werkzeuge Ihres Zuchtverbands optimal nutzen können – seien es moderne Zuchtwerte oder traditionelle Bewertungsmethoden.

  • Anpaarungsstrategien situationsgerecht wählen und verstehen, wann Kompensation, Konzentration oder Linienzucht sinnvoll sind

  • typische Zielkonflikte erkennen und lösen, insbesondere zwischen Merkmalsverbesserung, Inzuchtmanagement und genetischer Vielfalt.

Allerdings sei darauf hingewiesen, dass dieses recht kurze Kapitel Ihnen nicht sämtliche genetischen Hintergründe vermitteln kann. Die wissenschaftlichen Grundlagen der Genetik werden Ihnen an anderer Stelle vermittelt. Es braucht viel Erfahrung, die verschiedenen Auswahlkriterien bestmöglich gegeneinander abzuwägen.

Wissenschaftliche Grundlagen der Partnerwahl

Der Selektionsindex

Ein Selektionsindex fasst die Qualität eines Hundes in verschiedenen Merkmalen zu einer einzigen Kennzahl zusammen. In fortschrittlichen Verbänden basiert er auf geschätzten Zuchtwerten, die zeigen, was ein Hund genetisch an seine Nachkommen weitergibt. Der Mittelwert ist 100. Ein Selektionsindex von 110 bedeutet beispielsweise, dass der Rüde sich überdurchschnittlich gut in den Merkmalen vererbt, die in den Selektionsindex eingehen.

Ohne Zuchtwertschätzung müssen Sie Ihren eigenen Selektionsindex konstruieren. Identifizieren Sie zunächst alle Merkmalskomplexe, die Ihnen wichtig sind. In der Regel werden dies Typ, Gesundheit, Wesen und funktionale Merkmale sein. Zu den funktionalen Merkmalen gehören alle sonstigen Merkmale, die Probleme verursachen können, beispielsweise Milchmangel bei der Aufzucht oder Probleme beim Deckakt. Bewerten Sie jeden Merkmalskomplex auf einer einheitlichen Skala von 1-9 (9 ist optimal) und gewichten Sie diese nach Ihrer Zuchtzielsetzung. Ein Familienhundzüchter wird zum Beispiel das Wesen höher gewichten als ein Züchter von Ausstellungshunden, der den Typ priorisiert.

Genetische Kompatibilität und Inzuchtmanagement

Der Inzuchtkoeffizient der geplanten Welpen entspricht dem Verwandtschaftsgrad der Eltern. Er sollte idealerweise unter dem Populationsdurchschnitt liegen, um Inzuchtdepression zu vermeiden.

Allerdings gibt es Ausnahmen: Wenn wichtige Merkmale durch Epistasie (Wechselwirkung mehrerer Gene) beeinflusst werden, kann moderate Linienzucht notwendig sein. In solchen Fällen akzeptieren Sie bewusst Inzuchtkoeffizienten über dem Durchschnitt und beschränken Ihre Suche von vornherein auf Rüden derselben Teilpopulation. Die „Ein-Migrant-je-Generation“-Regel bietet hierfür einen gangbaren Weg: Pro Generation wird in jeder Teilpopulation ein möglichst unverwandter Rüde eingesetzt, während die Linie oder Teilpopulation ansonsten ihre genetische Identität bewahrt. Dies verhindert zu starken Inzuchtanstieg bei gleichzeitigem Erhalt der Linienmerkmale.

Konzentrations- vs. Kompensationsanpaarung

Für jedes wichtige Merkmal können Sie entscheiden, ob eine Kompensations- oder Konzentrationsanpaarung durchgeführt werden soll. Die optimale Entscheidung hängt von der genetischen Architektur der Merkmale ab. Bei polygenen Merkmalen wie der Körpergröße funktioniert die Kompensation gut: Eine etwas zu kleine Hündin mit einem etwas zu großen Rüden ergibt oft optimal große Nachkommen. Bei Merkmalen, die unter der Kontrolle von Hauptgenen sind, sollten Sie dagegen auf Konzentration setzen, um unerwünschte Aufspaltungen zu vermeiden. Ein klassisches Beispiel sind Fellfarben: Hier führt die Verpaarung von Tieren mit entgegengesetzter Färbung oft zu unerwünschter Variation in den Nachkommen. Die Hündin wird stattdessen mit einem Rüden verpaart, der im betreffenden Merkmal möglichst optimal ist, nicht mit einem Rüden, dessen Merkmalsausprägung auf der entgegengesetzten Seite des Optimums liegt.

Der systematische Auswahlprozess

Schritt 1: Beurteilung der Hündin

Jede erfolgreiche Deckrüdensuche beginnt mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme Ihrer Hündin. Bewerten Sie systematisch ihre Stärken und Schwächen in allen relevanten Bereichen: Gebäude und Bewegung, Gesundheit und Wesen. Seien Sie dabei objektiv – nur wer die Schwächen seiner Hündin kennt, kann sie gezielt ausgleichen.

Dokumentieren Sie Ihre Analyse schriftlich. Notieren Sie beispielsweise: „Hervorragendes Gangwerk mit viel Schub, sehr gutes Pigment, ausgeglichenes Wesen. Verbesserungsbedarf bei der Winkelung der Vorhand, Oberlinie könnte gerader sein, etwas zurückhaltend gegenüber Fremden.“ Diese ehrliche Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für Ihre Partnerwahl.

Definieren Sie nun konkrete Ziele für diesen Wurf. Vage Formulierungen wie „schöne und gesunde Welpen“ helfen nicht weiter. Werden Sie spezifisch: „Die steile Vorhand meiner Hündin durch einen Rüden mit korrekter Winkelung kompensieren, dabei das exzellente Gangwerk und stabile Wesen erhalten.“

Aus dieser Analyse leiten Sie Ihre Must-haves (Mindestanforderungen) und No-gos (Ausschlusskriterien) ab. Must-haves könnten sein: HD-A oder B, korrektes Gebiss. No-gos wären beispielsweise: Träger einer Erbkrankheit, für die Ihre Hündin ebenfalls Trägerin ist, oder bekannte Verhaltensprobleme in der Nachzucht.

Schritt 2: Erstellung einer Auswahlliste

Mit klarem Anforderungsprofil beginnt die systematische Suche. Nutzen Sie alle verfügbaren Informationsquellen: offizielle Deckrüdenlisten Ihres Vereins, Zuchtdatenbanken und Ausstellungsergebnisse.

Studieren Sie Ausstellungsergebnisse nicht nur nach Siegern, sondern achten Sie besonders auf Richterbewertungen, die Ihre Schwerpunkte betreffen. Auch ein Netzwerk erfahrener Züchterkollegen ist hilfreich – sie kennen oft vielversprechende Jungrüden oder wissen um besondere Vererbungsleistungen, die in keiner Datenbank stehen.

Die Vorfilterung erfolgt in drei Ebenen. Zuerst die formalen Ausschlusskriterien: Besitzt der Rüde eine gültige Zuchtzulassung? Liegen alle vorgeschriebenen Gesundheitsuntersuchungen mit akzeptablen Ergebnissen vor? Steht er überhaupt Fremdhündinnen zur Verfügung? Diese Fragen klären Sie idealerweise vor intensiverer Recherche.

Die zweite Filterebene betrifft die genetische Kompatibilität. Gehören in Ihrer Rasse verschiedene Teilpopulationen unterschiedlichen Zuchtrichtungen an – etwa Arbeitslinien versus Showlinien – müssen Sie entscheiden, ob eine Vermischung sinnvoll ist. Meist ist es zielführender, innerhalb der eigenen Zuchtrichtung zu bleiben.

Die dritte Ebene berücksichtigt spezielle genetische Überlegungen. Ist ein Rüde Träger bekannter Defektallele, die Ihre Hündin auch besitzt, können Sie ihn gleich aus der Liste streichen. Dasselbe ist der Fall, wenn der Rüde zu nah verwandt mit Ihrer Hündin ist: Brüder, Halbbrüder und der eigene Vater werden gleich aus der Liste gestrichen. Beachten Sie hierbei die Vorgaben Ihres Verbandes.

Wissen Sie aus Erfahrung oder Literatur, dass bestimmte erwünschte Merkmale in Ihrer Rasse durch epistatische Effekte beeinflusst und nur bei Linienzucht stabil vererbt werden? Dann fokussieren Sie sich auf kompatible Linien. Stellen Sie jedoch fest, dass alle infrage kommenden Linienzuchtrüden zu eng mit Ihrer Hündin verwandt sind (Inzuchtkoeffizient der Nachkommen würde deutlich über dem Rassedurchschnitt liegen), ist es Zeit für einen gezielten Outcross. In diesem Fall starten Sie eine neue Suche nur nach Outcross-Deckrüden.

Achten Sie auf den Popular-Sire-Effekt: Ein Rüde mag sich hervorragend vererben, aber wenn er bereits 10% aller Welpen der letzten zwei Jahre gezeugt hat, sollten Sie Alternativen bevorzugen. Die genetische Vielfalt der Rasse wiegt schwerer als marginale Unterschiede im Zuchtwert.

Eine praktikable Longlist umfasst etwa 10 Rüden. Diese Zahl ist groß genug für echte Auswahl, aber klein genug für eine gründliche Analyse.

Schritt 3: Detailanalyse der Rüden

3A: Fortschrittliche Verbände mit Zuchtwertschätzung

Wenn Ihr Verband Zuchtwerte berechnet, nutzen Sie diese konsequent. Der Selektionsindex, der alle Merkmale in einer Zahl kombiniert, gibt eine wichtige Hilfestellung: Rüden mit zu geringem Selektionsindex können Sie gleich ausschließen. Anschließend sehen Sie sich die Teilzuchtwerte an. Hat Ihre Hündin schwache Hüften (HD-C), suchen Sie gezielt Rüden mit guten Hüft-Zuchtwerten. Bei sehr gutem Gebäude Ihrer Hündin können Sie einen mittleren Exterieur-Zuchtwert des Rüden akzeptieren, wenn dafür Gesundheit oder Wesen überdurchschnittlich sind.

Nutzen Sie das Anpaarungsprogramm Ihres Verbands um jeden Kandidaten zu evaluieren. Moderne Software gibt nicht nur die Selektionsindizes der Rüden an und weist Träger von Defektallelen aus, sondern berechnet auch den erwarteten Inzuchtkoeffizienten der Welpen. Ein Beispiel: Rüde A hat einen sehr guten Selektionsindex, aber die Verpaarung mit Ihrer Hündin ergibt Inzuchtkoeffizienten über dem Rassedurchschnitt. Rüde B führt zu weniger Inzucht, hat aber nur einen mittelmäßigen Selektionsindex. Hier müssen Sie abwägen.

Bei Rassen mit Extremmerkmalen, die gesundheitliche Risiken bergen, ist der Selektionsindex mit Restriktion sehr nützlich. Er ermöglicht beispielsweise bei brachycephalen Rassen, die Atemwegsgesundheit zu verbessern, während die rassetypische Kopfform erhalten bleibt. Nutzen Sie dieses Werkzeug konsequent – es wurde genau für solche Zielkonflikte entwickelt.

3B: Traditionelle Verbände mit begrenzter Datenerfassung

Ohne verfügbare Zuchtwerte konstruieren Sie selbst einen „aggregierten Phänotyp“ – Ihre eigene systematische Bewertung, die Ihnen als Selektionsindex dient. Definieren Sie Ihre Merkmalskomplexe (Typ, Gesundheit, Wesen, funktionale Merkmale) und bewerten Sie jeden Kandidaten auf einer Skala von 1-9, wobei 5 ungefähr dem Rassedurchschnitt entsprechen sollte und 9 optimal ist. Wenn Sie bei einem Rüden zu einem Merkmalskomplex keine Informationen bekommen, dann geben Sie ihm hier eine 5. Dies ist die beste Schätzung, die Sie bei Unkenntnis des wahren Wertes machen können.

Ein Rüde könnte beispielsweise erhalten: Typ 8, Gesundheit 9, Wesen 7 und funktionale Merkmale 5. Gewichten Sie diese nach Ihrem Zuchtziel – priorisieren Sie beispielsweise Typ mit 30%, Gesundheit mit 30%, Wesen mit 20% und funktionale Merkmale mit 20%, dann ergibt sich der Gesamtwert als

\[I=0.3\cdot 8 + 0.3 \cdot 9 + 0.2 \cdot 7 + 0.2 \cdot 5 = 7.5\]

Die Noten, die sie jetzt vergeben, sollten Sie immer wieder hinterfragen und aktualisieren, wenn Sie neue Informationen über den Rüden erhalten: beispielsweise, nachdem Sie ihn persönlich kennengelernt und mit seinem Besitzer gesprochen haben.

Für die Inzuchtberechnung analysieren Sie die Pedigrees, die vom Verband zur Verfügung gestellt werden. Gemeinsame Ahnen hinten im Pedigree erhöhen den Inzuchtkoeffizienten der Welpen tendenziell, aber nur, wenn es sich bei den übrigen Ahnen nicht um Outcross-Hunde handelt.

Die nachfolgende Tabelle zeigt nochmal detailliert, wie sich fortschrittliche Verbände von traditionellen Verbänden unterscheiden:

Kriterium

Fortschrittlicher Verband

Traditioneller Verband

Datenbasis

Zuchtwerte, genomische Daten

Phänotyp, Schauergebnisse

Inzuchtberechnung

Automatisiert, präzise

Manuell, Faustregeln

Nachzuchtinfo

In Zuchtwerten integriert

Separate Recherche nötig

Zeitaufwand

gering

hoch

Objektivität

Hoch

Mittel, erfordert Erfahrung

Schritt 4: Die persönliche Begutachtung

Zahlen und Stammbäume erzählen nur die halbe Geschichte. Bevor Sie Ihre finale Entscheidung treffen, müssen Sie Ihre Top-Kandidaten persönlich kennenlernen. Planen Sie Besuche bei den zwei bis drei aussichtsreichsten Rüden ein – die Investition in Reisezeit und -kosten zahlt sich durch eine fundierte Entscheidung aus. Dies ist besonders bei traditionellen Verbänden mit begrenzter Datenerfassung wichtig. Um Zeit und Reisekosten zu sparen könnten Sie die Rüden alternativ auf Hundeschauen kennenlernen und dort mit ihren Besitzern sprechen. Dies ist Ihre Chance, mehrere Kandidaten an einem Tag zu vergleichen. Allerdings werden viele gute Deckrüden nicht ständig ausgestellt. Fotografieren Sie systematisch und notieren Sie Ihre Eindrücke direkt vor Ort.

Beobachten Sie den Rüden beim Erstkontakt, im Umgang mit anderen Rüden und bei Störreizen. Wie verhält er sich im Alltag? Ein souveräner Umgang mit Alltagsreizen, freundliches Interesse an Besuchern und entspanntes Verhalten zuhause sind positive Zeichen. Beurteilen Sie Gangwerk und Bewegungsfreude bei einem Spaziergang. Ein Hund, der sich gerne und ausdauernd bewegt, vererbt diese Vitalität oft weiter. Prüfen Sie auch die Körperproportionen im direkten Vergleich – Fotos können nachbearbeitet sein. Fragen Sie, ob die Mutter des Rüden eine gute Mutter war und ob seine Töchter es auch sind.

Nach dem Gespräch können Sie Ihre erste Einschätzung überarbeiten: Vielleicht gefällt Ihnen das Wesen jetzt nicht mehr so gut, weil der Rüde mit einem anderen Rüden Streit angefangen hat, also ziehen Sie einen Punkt ab. Die funktionalen Merkmale können Sie nach dem Gespräch mit dem Züchter besser einschätzen und Sie erhöhen den Wert auf 7. Der überarbeitete Selektionsindex lautet jetzt:

\[I=0.3\cdot 8 + 0.3 \cdot 9 + 0.2 \cdot 6 + 0.2 \cdot 7 = 7.7\]

Das Züchtergespräch erfordert bei älteren Rüden weitere Fragen: Welche Eigenschaften vererbt der Rüde besonders stark? Gab es Auffälligkeiten in bisherigen Würfen – sowohl positive als auch negative? Wie verliefen die Geburten seiner Partnerinnen? Bei mehreren Rüden desselben Züchters: Welchen würde er für Ihre spezifische Hündin empfehlen und warum? Eine Nachzuchtbeurteilung, sofern möglich, ist dabei Ihr wichtigstes Kriterium – konstant gute Nachkommen aus verschiedenen Verpaarungen zeigen wahre Vererbungskraft. Seine Ausstellungserfolge sind dann weniger relevant.

Vielleicht erfahren Sie, dass der Rüde zwar sehr gut aussieht und viel auf Schauen gewonnen hat, dass er seinen Typ aber gar nicht so gut vererbt. In diesem Fall könnten Sie seine Typnote aufgrund seiner Nachtzucht um – sagen wir – 2 Punkte reduzieren und Sie erhalten den finalen Selektionsindex:

\[I=0.3\cdot (8-2) + 0.3 \cdot 9 + 0.2 \cdot 6 + 0.2 \cdot 7 = 7.1\]

Schritt 5: Die finale Entscheidung

Erstellen Sie eine Vergleichsmatrix Ihrer Finalisten. Listen Sie alle relevanten Kriterien auf: Selektionsindex, wie gut er die Schwächen Ihrer Hündin ausgleichen kann, erwarteter Inzuchtkoeffizient der Welpen und die Zahl der Würfe, die er bereits hatte. Gewichten Sie die Kriterien nach Ihrer Priorität und vergeben Sie Punkte.

Ein Beispiel: Der Rüde hat einen relativ guten Selektionsindex (7.1 Punkte), die Welpen hätten mittlere Inzuchtkoeffizienten (5 Punkte), aber er kann die Schwächen Ihrer Hündin nicht gut kompensieren (3 Punkte). Wieder können Sie eine gewichtete Summe berechnen. Dies macht Ihre Entscheidung objektiver und nachvollziehbarer.

Dokumentieren Sie Ihre Entscheidung ausführlich. Notieren Sie nicht nur welchen Rüden Sie wählen, sondern auch warum. Diese Begründung hilft Ihnen später bei der Wurfauswertung und beim Lernen für zukünftige Entscheidungen. War die Entscheidung richtig? Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Typische Zielkonflikte

Die Realität der Hundezucht konfrontiert Sie oft mit Dilemmata. Der Rüde mit dem besten Selektionsindex ist eng mit Ihrer Hündin verwandt. Der Outcross-Rüde hat Schwächen genau dort, wo Ihre Hündin Unterstützung bräuchte. Der perfekte Kandidat wurde bereits übermäßig eingesetzt. Wie lösen Sie solche Konflikte?

Bei negativen genetischen Korrelationen müssen Sie auf Mehrmerkmals-Selektion setzen. Größere Hunde neigen zu schlechteren Hüften – wenn Sie auf Größe selektieren, müssen Sie parallel streng auf HD achten. Bei brachycephalen Rassen korreliert die erwünschte Kopfform oft negativ mit der Atmung. Hier hilft nur konsequente Doppelselektion: Wählen Sie Rüden, die trotz typischem Kopf frei atmen.

Der Popular-Sire-Effekt ist eine schleichende Gefahr. Ein hervorragender Rüde mag kurzfristig die Qualität verbessern, aber seine Übernutzung verengt den Genpool dramatisch. Als Faustregel: Kein Rüde sollte mehr als 10% aller Welpen einer Generation zeugen.

In kleinen Populationen wird die Balance zwischen Fortschritt und Diversität zur Gratwanderung. Hier kann ein mittelmäßiger aber genetisch wertvoller Outccross-Rüde die bessere Wahl sein als der Spitzenrüde aus der dominanten Linie. Software zur Optimum Contribution Selection kann zeigen, welche Tiere unterrepräsentierte Gene tragen. Deren Einsatz mag kurzfristig den Fortschritt bremsen, sichert aber die Zukunft der Rasse.

Checkliste: Die Deckrüdenauswahl

Schritt 1: Bewertung der Hündin und Zielsetzung

  • V
    Stärken und Schwächen der Hündin dokumentiert
  • V
    Konkrete Ziele für diesen Wurf definiert
  • V
    Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien definiert

Schritt 2: Kandidatensuche

  • V
    Deckrüdenliste beschafft
  • V
    Ausstellungsergebnisse analysiert
  • V
    Rüden ohne Zuchtzulassung / Gesundheitstests ausgeschlossen
  • V
    Zu nah verwandte Rüden ausgeschlossen
  • V
    Zu häufig genutzte Rüden ausgeschlossen
  • V
    Rüden ausgeschlossen, die die gleichen Defektgene tragen wie die Hündin

Schritt 3: Detailanalyse

Bei Verbänden mit Zuchtwertschätzung

  • V
    Rüden mit schlechtem Selektionsindex ausgeschlossen
  • V
    Teilzuchtwerte mit der Hündin abgeglichen
  • V
    Erwartete Inzuchtkoeffizienten des Wurfs für jeden Rüden berechnet.

Bei traditionellen Verbänden

  • V
    Eigenes Bewertungssystem erstellt (Skala 1-9)
  • V
    Gewichtung der Merkmale festgelegt
  • V
    Eigenen Selektionsindex für jeden Kandidaten berechnet
  • V
    Erwartete Inzuchtkoeffizienten des Wurfs für jeden Rüden manuell geschätzt

Schritt 4: Persönliche Begutachtung

  • V
    Top 2-3 Kandidaten für Besuch ausgewählt
  • V
    Eigene Beurteilungen erstellt
  • V
    Mit Züchter über Vererbungsleistung gesprochen
  • V
    Selektionsindizes nach Besuch aktualisiert

Schritt 5: Finale Entscheidung

  • V
    Vergleichsmatrix aller Finalisten erstellt
  • V
    Alle Kriterien gewichtet und bewertet
  • V
    Begründung der Entscheidung für spätere Auswertung notiert

Fazit

Die Wahl des Deckrüden ist eine Wissenschaft und Kunst zugleich. Der systematische 5-Schritte-Prozess – von der Hündinnenanalyse über die Kandidatensuche bis zur finalen Entscheidung – minimiert emotionale Fehlentscheidungen. Nutzen Sie alle verfügbaren Werkzeuge Ihres Verbands optimal: Zuchtwerte und Anpaarungsprogramme in fortschrittlichen Verbänden, eigene Phänotyp- und Nachzuchtanalyse in traditionellen Strukturen.

Vier Prinzipien sollten Ihre Entscheidung leiten: Erstens, der Rüde sollte genetisch dem Rassedurchschnitt überlegen sein. Zweitens, der Rüde soll die Schwächen Ihrer Hündin kompensieren. Drittens, der Inzuchtkoeffizient der Welpen sollte unter dem Rassedurchschnitt liegen, außer bei beabsichtigter Linienzucht. Viertens, die genetische Vielfalt der Rasse hat Vorrang vor marginalen Qualitätsunterschieden.

Dokumentieren Sie Ihre Entscheidungen. Nur durch systematische Auswertung Ihrer Würfe lernen Sie, ob Ihre Auswahlkriterien richtig waren. Die beste Theorie ersetzt nicht die Erfahrung, aber sie hilft, aus Erfahrungen die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Begleithunde
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