Begleithunde Zucht – Ratgeber

Eine neue Perspektive auf die Hundezucht im 21. Jahrhundert

Genotypisierung von Zuchthunden

Die Genotypisierung mittels SNP-Chips eröffnet der Hundezucht neue Möglichkeiten für ein effektiveres Zuchtmanagement. Besonders wertvoll ist die präzise Schätzung von Verwandtschaften, die ein besseres Management der genetischen Diversität und eine bessere Kontrolle der Inzucht ermöglichen als die traditionelle Stammbaumanalyse, sofern eine ausreichende Anzahl genetischer Marker erfasst wird. Das Kapitel gibt Züchtern und Zuchtverbänden eine Entscheidungshilfe zur Nutzung dieser Technologie. Es erklärt die technischen Grundlagen, stellt die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten vor und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für die Implementierung.

0. Einleitung

Die Genotypisierung mittels SNP-Chips bietet der Hundezucht vielversprechende Möglichkeiten zur Optimierung der Zuchtarbeit. Die DNA-Analyse ermöglicht nicht nur eine präzise Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen und ein effektives Management der genetischen Diversität, sondern auch die genomische Zuchtwertschätzung und die Bekämpfung von Erbkrankheiten. Für Zuchtverbände stellt sich die Frage, wie diese Technologie optimal in bestehende Zuchtprogramme integriert werden kann.

Die technologische Entwicklung begann in den 1990er Jahren mit einzelnen genetischen Markern für spezifische Erbkrankheiten. Mit der Entschlüsselung des Hundegenoms im Jahr 2005 wurden die Grundlagen für die Entwicklung von SNP-Chips gelegt, die heute die gleichzeitige Analyse von bis zu 170.000 genetischen Markern ermöglichen. Diese technologische Revolution hat die Kosten pro analysiertem Marker drastisch gesenkt und macht die Technologie damit auch für Hunderassen wirtschaftlich interessant.

Ein Blick in die Rinderzucht zeigt das Potential dieser Entwicklung: Dort ist die Genotypisierung heute Standard. Fast jedes Zuchtkalb wird bereits nach der Geburt typisiert. Die Kosten pro Tier sind dabei sehr niedrig, weil die Landwirte die Proben selbst entnehmen können und durch die hohe Anzahl an untersuchten Tieren die Laborkosten pro Probe stark gesunken sind. In der Hundezucht sind die Kosten pro Tier noch deutlich höher, aber der züchterische Nutzen kann diese Kosten bereits heute aufwiegen – besonders wenn man bedenkt, dass ein einzelner Wurf mehrere Tausend Euro Wert sein kann und man die Bedeutung der genetischen Diversität für die Gesundheit der Rassen und die Vermeidung von Erbdefekten berücksichtigt.

Dieses Kapitel soll Züchtern und Zuchtverbänden eine Entscheidungshilfe geben: Welche züchterischen Ziele können durch den Einsatz von SNP-Chips besser erreicht werden? Welcher Chip ist für welchen Zweck geeignet? Wie können die Kosten für die Züchter optimiert werden? Nach einer kurzen Einführung in die technischen Grundlagen werden die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten vorgestellt und deren Anforderungen an die Genotypisierung diskutiert. Daraus werden dann konkrete Handlungsempfehlungen für die Zuchtprogramme abgeleitet.

1. Grundlagen der Genotypisierung

1.1 Genetische Marker und SNPs

Genetische Marker sind definierte DNA-Abschnitte, die sich zwischen Individuen unterscheiden und deren Variation untersucht werden kann. Unter den verschiedenen Arten genetischer Marker haben sich Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) als besonders nützlich für die Tierzucht erwiesen. SNPs sind Variationen einzelner Basenpaare im DNA-Strang, die in einer Population mit einer gewissen Häufigkeit auftreten. Typischerweise gibt es an einer SNP-Position zwei mögliche Allele.

Die Bedeutung von SNPs für die Tierzucht ergibt sich aus mehreren Vorteilen:

  • Sie kommen im Genom sehr häufig vor (beim Hund etwa alle 1000 Basenpaare)
  • Sie sind über das gesamte Genom verteilt
  • Sie können automatisiert und kostengünstig analysiert werden
  • Die Vererbung folgt den Mendelschen Regeln

Für die praktische Anwendung ist besonders wichtig, dass beide Allele eines Individuums eindeutig bestimmt werden können. Dies ermöglicht eine präzise Bestimmung, ob ein Tier bezüglich eines SNPs homozygot (zwei gleiche Allele) oder heterozygot (zwei verschiedene Allele) ist. Da SNPs heute kostengünstig und zuverlässig bestimmt werden können, sind sie auch die Basis für die meisten kommerziellen Gentests. Diese untersuchen in der Regel nur einzelne oder wenige SNPs, die direkt mit bestimmten Merkmalen oder Erbkrankheiten in Verbindung stehen. Die in diesem Kapitel behandelten SNP-Chips analysieren dagegen zehntausende von SNPs gleichzeitig und ermöglichen damit viel weitergehende Anwendungen wie die Verwandtschaftsschätzung oder die genomische Selektion.

1.2 Technische Grundlagen der SNP-Chips

Die Analyse von SNPs erfolgt heute mit standardisierten Chips, auf denen tausende von SNPs gleichzeitig untersucht werden können. Das Grundprinzip ist einfach: Für jeden SNP gibt es auf dem Chip eine spezifische Messstelle. Die DNA-Probe des Hundes wird aufbereitet und auf den Chip gegeben. An jeder Messstelle wird dann bestimmt, welche Varianten des SNPs vorliegen – ob der Hund also von beiden Eltern die gleiche Variante geerbt hat oder von jedem Elternteil eine andere.

Die technische Durchführung erfolgt in spezialisierten Laboren, die eine standardisierte Qualitätskontrolle durchführen. Dabei wird überprüft, ob die Messung für jeden SNP erfolgreich war und ob die Ergebnisse plausibel sind. Wenn zum Beispiel die Elterntiere ebenfalls typisiert wurden, kann geprüft werden, ob die gefundenen Genotypen mit den Mendelschen Regeln übereinstimmen. Ein weiterer wichtiger Qualitätsparameter ist die Call-Rate, d.h. der Anteil erfolgreich bestimmter Genotypen pro Tier (sie sollte >95% sein). Proben oder einzelne SNP-Ergebnisse, die die Qualitätskriterien nicht erfüllen, werden von der weiteren Auswertung ausgeschlossen.

Für die praktische Anwendung ist wichtig zu wissen: Die Technologie ist ausgereift und wird seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Die Ergebnisse sind sehr zuverlässig, wenn die Probenqualität gut ist und das Labor die Qualitätsstandards einhält.

2. Anwendung in der Hundezucht

2.1 Abstammungskontrolle

Die Abstammungskontrolle mittels SNP-Markern wird heute von vielen Zuchtverbänden routinemäßig durchgeführt. Dabei wird überprüft, ob die im Stammbaum eingetragenen Elterntiere tatsächlich die biologischen Eltern des Hundes sind.

Der ISAG2020 Panel mit 230 SNPs ist dafür ein internationaler Standard. Diese Markerzahl ist ausreichend für eine sichere Abstammungskontrolle, wobei für jeden Marker überprüft wird, ob die Allele des Welpen mit den Mendelschen Regeln und den Genotypen der Eltern übereinstimmen. Die Wahrscheinlichkeit einer falschen Bestätigung der Elternschaft ist dabei verschwindend gering.

Aus züchterischer Sicht ist eine routinemäßige Abstammungskontrolle mit dem ISAG2020 Panel allerdings oft nicht sinnvoll, denn:

  • Die Züchter kennen in der Regel die tatsächlichen Elterntiere
  • Der organisatorische und finanzielle Aufwand ist erheblich
  • Der züchterische Mehrwert ist gering, da die Information nicht für andere Zwecke genutzt werden kann

Sinnvoller wäre es, die Ressourcen in eine Genotypisierung mit dichteren SNP-Chips zu investieren. Diese ermöglichen nicht nur die Abstammungskontrolle, sondern können auch für das Inzuchtmanagement und andere züchterische Zwecke genutzt werden.

2.2 Inzuchtmanagement

Die genomische Verwandtschaft zwischen zwei Tieren kann anhand ihrer SNP-Genotypen sehr genau geschätzt werden. Die genomische Verwandtschaft zweier potentieller Anpaarungspartner schätzt dabei den genomischen Inzuchtkoeffizienten der Nachkommen. Der genomische Inzuchtkoeffizient eines Hundes misst, wie ähnlich sich die DNA-Abschnitte sind, die er von Vater und Mutter geerbt hat. Konkret ist er definiert als die Wahrscheinlichkeit, dass an einer zufällig gewählten Position im Genom die beiden Genkopien – eine vom Vater und eine von der Mutter – auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, der vor nicht allzu langer Zeit gelebt hat. Diese Definition entspricht dem klassischen Inzuchtkoeffizienten, nutzt aber die tatsächlich vererbte DNA-Ähnlichkeit statt nur der erwarteten Verwandtschaft aus dem Stammbaum. Dies bietet gegenüber der traditionellen, pedigree-basierten Verwandtschaftsschätzung entscheidende Vorteile:

  • Es wird die tatsächlich vererbte DNA-Ähnlichkeit gemessen, nicht nur die erwartete
  • Auch entfernte Verwandtschaften werden erkannt, die im Stammbaum nicht mehr nachvollziehbar sind
  • Die genetische Diversität in der Population kann präziser erfasst und gesteuert werden

Für eine zuverlässige Verwandtschaftsschätzung werden allerdings mindestens 10.000 gleichmäßig über das Genom verteilte SNPs benötigt. Der CanineSNP20 Chip ist dafür gut geeignet. Dichtere Chips wie der CanineSNP50 bringen für diesen Zweck nur noch eine geringe Verbesserung der Genauigkeit.

Das genomische Verwandtschaftsmanagement ist besonders wichtig für:

  • Populationen mit unvollständigen Pedigrees, wie sie z.B. beim Einsatz importierter Zuchthunde entstehen können
  • Populationen mit hohem Inzuchtgrad
  • Rassen mit Erbkrankheiten für die es noch keine Gentests gibt
    Zuchtprogramme zur Erhaltung seltener Rassen
  • Die praktische Umsetzung des Verwandtschaftsmanagements erfolgt auf mehreren Ebenen:

1. Populationsebene:

  • Erfassung der aktuellen genetischen Diversität in der Population
  • Identifikation von genetisch besonders wertvollen Tieren (geringe Verwandtschaft zur Gesamtpopulation)
  • Entwicklung von Strategien zum Erhalt seltener Genvarianten

2. Anpaarungsplanung:

  • Berechnung der erwarteten Inzuchtkoeffizienten für geplante Würfe
  • Identifikation genetisch unterschiedlicher Paarungspartner
  • Vermeidung der Zusammenführung genetischer Defekte

3. Langfristige Zuchtplanung:

  • Identifikation verschiedener Zuchtlinien mit geringer Verwandtschaft zueinander
  • Strategische Planung von Importen zur Erweiterung der genetischen Basis
  • Monitoring der Entwicklung der genetischen Diversität über die Zeit

Die Kosten der Genotypisierung amortisieren sich dabei durch:

  • Vermeidung von Inzuchtdepression (bessere Vitalität, Fruchtbarkeit und Gesundheit)
  • Geringeres Risiko für das Auftreten rezessiver Erbdefekte
  • Langfristige Sicherung der genetischen Vielfalt
  • Möglichkeit zur gezielten Anpaarungsplanung auch bei unvollständigen Stammbäumen

Im Vergleich zur pedigree-basierten Verwandtschaftsschätzung ist der genomische Ansatz zwar teurer, bietet aber eine deutlich bessere Grundlage für züchterische Entscheidungen. Dies gilt besonders für Rassen mit kleiner Populationsgröße oder häufigem Einsatz von Importtieren, wo die Stammbäume oft unvollständig sind oder die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse nicht widerspiegeln.

Die Investition in ein genomisches Verwandtschaftsmanagement ist eine Investition in die Zukunft der Rasse. Sie ermöglicht es, die genetische Diversität zu erhalten oder sogar zu erhöhen, während gleichzeitig züchterische Fortschritte in gewünschten Merkmalen erzielt werden können.

2.3 Genomische Zuchtwertschätzung

Die genomische Zuchtwertschätzung kombiniert genetische Marker mit Phänotypdaten, um den Zuchtwert eines Tieres möglichst früh und genau vorherzusagen. Im Gegensatz zur klassischen Zuchtwertschätzung (Pedigree-BLUP) werden dabei nicht nur Abstammungs- und Leistungsdaten genutzt, sondern auch die genetischen Marker des Tieres.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche genomische Zuchtwertschätzung ist eine Referenzpopulation von mindestens 1000 Tieren, für die sowohl Phänotyp- als auch Genotypdaten vorliegen. Für die Genotypisierung wird ein SNP-Chip mit mindestens 50.000 Markern benötigt, wie der CanineSNP50 Chip. Da sich die genetischen Beziehungen in der Population über die Zeit verändern, muss die Referenzpopulation regelmäßig aktualisiert werden.

Die erreichbare Genauigkeit der genomischen Zuchtwertschätzung wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Besonders wichtig sind dabei die Größe der Referenzpopulation und die Erblichkeit des betrachteten Merkmals. Auch die genetische Verwandtschaft zwischen der Referenzpopulation und den Kandidatentieren spielt eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt hängt die Genauigkeit auch stark von der Qualität der Merkmalserfassung ab.

Im Vergleich zur klassischen Zuchtwertschätzung bietet der genomische Ansatz deutliche Vorteile. Die Schätzungen sind generell genauer, was besonders bei jungen Tieren zum Tragen kommt. Auch können erstmals Unterschiede zwischen Vollgeschwistern bereits im Welpenalter erkannt werden.

Die hohen Anforderungen an Referenzpopulation und Datenqualität machen die genomische Zuchtwertschätzung allerdings für viele Hundepopulationen derzeit noch schwer umsetzbar. Anders als in der Rinderzucht, wo große Populationen mit standardisierter Leistungserfassung verfügbar sind, ist die Datenbasis in der Hundezucht oft zu klein für eine zuverlässige genomische Zuchtwertschätzung. Für die Zukunft bietet diese Technologie jedoch großes Potential, besonders wenn mehrere Zuchtverbände ihre Daten gemeinsam nutzen.

2.4 Aufdeckung genetischer Defekte

Die Identifikation von Trägern genetischer Defekte ist eine wichtige Anwendung der Genotypisierung in der Hundezucht. Dabei muss zwischen zwei Situationen unterschieden werden: Entweder ist die ursächliche Mutation bereits bekannt und es existiert ein spezifischer Gentest, oder die genetische Grundlage des Defekts muss erst aufgeklärt werden.

Für die Entwicklung eines neuen Gentests wird eine ausreichend große Stichprobe genotypisierter Tiere benötigt. Dabei müssen sowohl betroffene als auch gesunde Tiere einbezogen werden. Die erforderliche Stichprobengröße hängt vom Erbgang ab: Bei einem einfachen rezessiven Erbgang können bereits 20-50 betroffene Tiere und eine ähnliche Anzahl gesunder Kontrolltiere ausreichen, um die ursächliche Mutation zu identifizieren. Bei komplexeren Erbgängen und wenn mehrere Gene beteiligt sind, werden entsprechend größere Stichproben benötigt. Für die Genotypisierung sollte mindestens der CanineSNP50 Chip verwendet werden.

Eine Alternative zur direkten Identifikation von Trägern ist das Purging. Dabei werden gezielt verwandte Tiere verpaart, um schädliche rezessive Allele in den homozygoten Zustand zu bringen. Die betroffenen Tiere werden dann von der Zucht ausgeschlossen. Durch diesen Prozess sinkt die Häufigkeit der schädlichen Allele in der Population mit der Zeit. Diese Strategie kann sinnvoll sein, wenn eine Genotypisierung nicht möglich oder zu teuer ist. Allerdings muss dabei in Kauf genommen werden, dass zunächst vermehrt betroffene Tiere geboren werden.

Aus Kosten-Nutzen-Sicht ist die Entwicklung eines spezifischen Gentests mittels SNP-Chip-Analyse besonders dann sinnvoll, wenn der Defekt häufig auftritt und schwerwiegende Folgen hat. Die gewonnenen Genotypdaten können zudem für andere Zwecke wie das Anpaarungsmanagement genutzt werden.

3. Phasen und Imputieren

Die von den SNP-Chips gelieferten Rohdaten müssen in mehreren Schritten aufbereitet werden, bevor sie für die züchterischen Anwendungen genutzt werden können. Zunächst müssen die Genotypen gephased werden, das heißt es muss bestimmt werden, welche Variante vom Vater und welche von der Mutter stammt. Anschließend können fehlende Genotypen durch Imputation ergänzt werden. Dies ermöglicht eine kosteneffiziente Strategie, bei der nur die wichtigsten Zuchttiere mit einem hochdichten SNP-Chip typisiert werden müssen. Beide Schritte erfordern spezielle Software und werden üblicherweise von einem Rechenzentrum durchgeführt.

3.1 Phasen von Genotypen

Die SNP-Chips bestimmen für jede Genposition, welche beiden Varianten ein Hund besitzt, aber nicht, welche Variante er von welchem Elternteil geerbt hat. Die Zuordnung der Varianten zum väterlichen und mütterlichen Chromosom wird als „Phasen“ bezeichnet. Diese Information ist wichtig für die präzise Schätzung von Verwandtschaften und für die Imputation fehlender Genotypen.

Das Phasen der Genotypen erfolgt durch statistische Verfahren, die sowohl Familieninformationen als auch Populationsdaten nutzen. Wenn die Genotypen der Eltern bekannt sind, können die geerbten Varianten oft direkt zugeordnet werden. Aber auch ohne Elterninformation ist ein Phasen möglich, da bestimmte Varianten-Kombinationen in der Population häufig gemeinsam vererbt werden. Die Genauigkeit des Phasens hängt dabei von der Qualität der Genotypen und der verfügbaren Familieninformation ab.

Die technische Durchführung des Phasens erfordert spezialisierte Software und bioinformatische Expertise. Für Zuchtverbände empfiehlt sich daher die Zusammenarbeit mit einem Rechenzentrum, das Erfahrung mit der Verarbeitung von Genotypdaten hat. Die gephaseten Genotypen bilden dann die Grundlage für die weiteren Analysen wie Verwandtschaftsschätzung und Imputation.

3.2 Imputieren von Genotypen

Die Imputation ist ein statistisches Verfahren, mit dem fehlende Genotypen aus vorhandenen Daten geschätzt werden können. Nach dem erfolgreichen Phasen der bekannten Genotypen können die fehlenden Genotypen durch den Vergleich mit ähnlichen Genomen in der Population geschätzt werden. Dies ermöglicht es, Tiere mit verschiedenen SNP-Chips kostengünstig zu kombinieren. So können beispielsweise nur die wichtigsten Zuchttiere mit einem hochdichten Chip (CanineHD) typisiert werden, während für die übrigen Tiere ein kostengünstigerer Chip wie der CanineSNP20 verwendet wird.

Die Genauigkeit der Imputation hängt dabei von mehreren Faktoren ab:

  • Der Qualität der gephaseten Genotypen
  • Der genetischen Verwandtschaft zwischen den Tieren
  • Der Größe und Struktur der Referenzpopulation
  • Den Unterschieden in der Markerdichte zwischen den verwendeten Chips

Besonders genau ist die Imputation, wenn die Eltern eines Tieres mit einem hochdichten Chip typisiert wurden. In diesem Fall können die fehlenden Genotypen des Nachkommen sehr präzise aus den elterlichen Haplotypen abgeleitet werden. Aber auch ohne direkte Verwandtschaft ist eine Imputation möglich, allerdings mit geringerer Genauigkeit.

Je nach Populationsstruktur kann es ausreichen, 10-20% der Population mit einem hochdichten Chip zu typisieren. Für eine erfolgreiche Imputation ist dabei eine strategische Auswahl der hochdicht typisierten Tiere entscheidend. In einer typischen Hundepopulation sollten zuerst die aktuell wichtigsten Vatertiere (Deckrüden) mit dem dichtesten Chip typisiert werden, da diese oft viele Nachkommen haben. Als nächstes folgen die wichtigsten Muttertiere, besonders solche, die bereits mehrere erfolgreiche Würfe hatten. Aus genetischer Sicht ist es zudem wichtig, Tiere zu typisieren, die verschiedene Blutlinien repräsentieren, um die genetische Diversität der Population gut abzudecken.

Die praktische Durchführung erfordert spezialisierte Software und bioinformatische Expertise. Führende Programme wie FImpute oder Beagle sind zwar frei verfügbar, erfordern aber entsprechendes Fachwissen. Für Zuchtverbände empfiehlt sich daher die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Rechenzentrum, das bereits Erfahrung mit der Imputation von Genotypen hat.

4. Verfügbare Chips

4.1 Übersicht verfügbarer Chips

Der ISAG2020 Panel mit 230 SNPs ist ein internationaler Standard für die Abstammungskontrolle. Die geringe Markerdichte macht ihn jedoch für andere Anwendungen ungeeignet. Die daraus gewonnenen Daten können auch nicht sinnvoll für eine spätere Imputation genutzt werden.

Der CanineSNP20 mit etwa 20.000 SNPs stellt einen guten Kompromiss zwischen Kosten und Nutzen dar. Die Markerdichte ist ausreichend für eine zuverlässige Verwandtschaftsschätzung und ermöglicht auch die Imputation zu höheren Dichten, wenn Referenztiere mit dichteren Chips typisiert wurden.

Der CanineSNP50 mit etwa 50.000 SNPs ist der Standard für die genomische Zuchtwertschätzung. Die höhere Markerdichte verbessert auch die Genauigkeit der Verwandtschaftsschätzung, wobei der Zugewinn gegenüber dem CanineSNP20 meist gering ist.

Der CanineHD BeadChip mit etwa 170.000 SNPs wird hauptsächlich in der Forschung für die Identifikation kausaler Genvarianten eingesetzt. In der praktischen Zucht ist er vor allem als hochdichter Referenzchip für die Imputation interessant. Der deutliche Preisunterschied zum CanineSNP50 lässt sich durch die Imputation ausgleichen, wenn nur ausgewählte Tiere mit dem HD-Chip typisiert werden.

Daneben gibt es noch weitere Chips von anderen Anbietern. Das entscheidende Kriterium ist die Markerzahl. Die Kosten für die Genotypisierung steigen mit zunehmender Markerzahl und sind stark abhängig von der abgenommenen Stückzahl. Während beispielsweise die Genotypisierung eines Rindes mit einem Chip, der 50.000 SNPs enthält, ohne die Probennahme etwa 30 € kostet, sind die Typisierungskosten bei Hunden noch deutlich teurer.

4.2 Entscheidungshilfe für Zuchtverbände

Die Wahl des geeigneten Chips hängt von den Zielen der Züchter und der Populationsstruktur ab. Für ein reines Verwandtschaftsmanagement ist der CanineSNP20 meist ausreichend. Plant ein Zuchtverband die Aufdeckung genetischer Defekte oder die Einführung einer genomischen Zuchtwertschätzung, dann ist die Typisierung der Population mit dem CanineSNP20 Chip und die Typisierung einflussreicher Vorfahren mit einem hochdichten Chip meist die wirtschaftlich beste Lösung. Die 20K Genotypen werden dann auf den hochdichten Chip imputiert. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung muss dabei neben den reinen Chipkosten auch die Kosten für Probennahme, Logistik und Auswertung berücksichtigen.

Auch die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Zuchtverbänden sollte bei der Chipwahl bedacht werden – gemeinsame Standards erleichtern den Datenaustausch und vergrößern die Referenzpopulation für Analysen.

5. Praktische Durchführung

5.1 Probennahme und Logistik

Für die Genotypisierung gibt es zwei grundlegende Zeitpunkte: Im Welpenalter bei der ersten Impfung (8-10 Wochen) oder bei erwachsenen Hunden vor der Zuchtzulassung. Für die breite Nutzung der Genotypisierung ist die Beprobung im Welpenalter vorzuziehen, da:

  • Die Genotypisierung vor der Welpenabgabe abgeschlossen sein kann
  • Die genetischen Daten bei der Auswahl der Zuchtwelpen berücksichtigt werden können
  • Mehr Hunde genotypisiert werden, was die Qualität der späteren Analysen verbessert
  • Die höhere Anzahl genotypisierter Hunde günstigere Preise pro Hund ermöglicht

Um die Genotypisierung im Welpenalter attraktiv zu machen, können Zuchtverbände gestaffelte Preise anbieten:

  • Höherer Preis für den ersten Welpen einer Zuchthündin
  • Deutlich reduzierte Preise für weitere Welpen der gleichen Zuchthündin

Für die SNP-Genotypisierung wird hochwertige DNA benötigt. Blutproben (2 ml EDTA-Blut) liefern DNA von sehr guter Qualität und können bei der ersten Impfung durch den Tierarzt entnommen werden. Einige Labore bieten zwar auch Backenabstriche an, diese führen aber häufiger zu Qualitätsproblemen und werden daher nicht generell empfohlen.

Im Vergleich zur Rinderzucht ist die Probennahme in der Hundezucht aufwändiger und teurer. Während Landwirte bei der Kennzeichnung der Kälber selbst eine Gewebeprobe entnehmen können, ist in der Hundezucht die Probenentnahme durch einen Tierarzt erforderlich. Die Kosten können jedoch durch verschiedene Maßnahmen optimiert werden:

  • Koordinierte Probennahme bei der Welpenimpfung
  • Sammeltage für erwachsene Zuchthunde bei Ausstellungen oder Zuchttreffen
  • Vereinbarungen mit Tierärzten über Sonderkonditionen
  • Gemeinsamer Probenversand mehrerer Züchter

Die Proben müssen eindeutig gekennzeichnet und mit einem Probenbegleitschein versehen werden. Die meisten Labore stellen spezielle Versandsets zur Verfügung, die alle notwendigen Materialien und Formulare enthalten. Der Versand erfolgt je nach Probenart gekühlt oder bei Raumtemperatur.

5.2 Labor und Analyse

Die systematische Auswahl eines geeigneten Genotypisierungslabors ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das Labor sollte sich auf die reine Genotypisierung und Qualitätskontrolle konzentrieren, während die weitergehende Datenanalyse von einem spezialisierten Rechenzentrum durchgeführt werden sollte. Wichtige Auswahlkriterien sind dabei die Erfahrung mit der gewählten Chiptechnologie, die Genotypisierungskosten, der gebotene Support bei technischen Fragen sowie die Gewährleistung von Datensicherheit.

Der Zeitbedarf von der Probennahme bis zum Vorliegen der Ergebnisse beträgt in der Hundezucht typischerweise 4-8 Wochen. In der Rinderzucht liegt dieser bei nur 14 Tagen, was zeigt, dass auch in der Hundezucht eine deutliche Beschleunigung möglich wäre. Eine schnellere Bearbeitung würde es ermöglichen, die Genotypisierungsergebnisse bereits bei der Welpenabgabe zu berücksichtigen. Auch wäre es dann für Züchter sinnvoll, die Welpen erst im Alter von 12 Wochen abzugeben. Dann könnte die Genotypisierung im Alter von 8-10 Wochen durchgeführt werden, so dass die Ergebnisse vor der Welpenabgabe vorliegen und der Züchter diese Ergebnisse bei der Entscheidung, welche Welpen er für die Zucht zurückbehält berücksichtigen kann.

Die derzeit lange Gesamtdauer ergibt sich hauptsächlich aus der Sammlung einer ausreichenden Probenzahl für einen gemeinsamen Analyselauf sowie der anschließenden Qualitätskontrolle und Datenaufbereitung. Durch eine gute Koordination zwischen Züchtern und Laboren sowie standardisierte Prozesse könnte der Zeitbedarf deutlich reduziert werden.

5.3 Verarbeitung der Daten im Rechenzentrum

Die vom Labor gelieferten Rohdaten müssen in mehreren Schritten aufbereitet werden, bevor sie für züchterische Entscheidungen genutzt werden können. Diese Aufbereitung erfolgt in einem spezialisierten Rechenzentrum. Nach der Qualitätskontrolle der Genotypen werden diese gephased, das heißt es wird bestimmt, welche Genvarianten vom Vater und welche von der Mutter stammen. Anschließend können fehlende Genotypen durch Imputation ergänzt werden. Aus den aufbereiteten Genotypen werden dann die genomischen Verwandtschaften zwischen allen Tieren berechnet. Bei Rassen, die eine genomische Zuchtwertschätzung durchführen, werden auch die Zuchtwerte geschätzt.

Die Kosten für die Datenverarbeitung können durch eine effiziente Organisation gesenkt werden. Wichtig sind dabei die Automatisierung wiederkehrender Prozesse und regelmäßige, geplante Auswertungsläufe statt Einzelauswertungen. Auch standardisierte Schnittstellen zum Labor und zur Zuchtbuchführung tragen zur Kosteneffizienz bei. Besonders effektiv ist die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur durch mehrere Zuchtverbände.

Das Rechenzentrum stellt die Ergebnisse in standardisierter Form für die weitere Nutzung bereit. Dazu gehören die Ergebnisse der Abstammungskontrollen, Verwandtschaftsmatrizen und bei Bedarf auch genomische Zuchtwerte. Diese Daten bilden die Grundlage für Zuchtplanungsprogramme, die von kommerziellen Softwareanbietern entwickelt werden. Die Trennung zwischen Rechenzentrum und Softwareentwicklung hat sich in der Rinderzucht bewährt, da sie eine klare Aufgabenteilung und einen sicheren Umgang mit sensiblen Daten ermöglicht.

5.4 Integration in Zuchtprogramme

Die vom Rechenzentrum bereitgestellten Daten müssen in die praktische Zuchtarbeit integriert werden. Dafür werden spezialisierte Softwarelösungen benötigt, die von kommerziellen Anbietern entwickelt werden. Diese Programme nutzen die Verwandtschaftsmatrizen und gegebenenfalls die genomischen Zuchtwerte für verschiedene Anwendungen wie Anpaarungsplanung oder Monitoring der genetischen Diversität.

Die Software zur Zuchtbuchführung muss entsprechend angepasst werden, damit sie die genomischen Informationen verarbeiten kann. Dabei ist eine benutzerfreundliche Darstellung wichtig, damit die Züchter die Informationen für ihre Zuchtentscheidungen optimal nutzen können. Die Programme sollten beispielsweise bei der Planung eines Wurfes automatisch die genomische Verwandtschaft möglicher Paarungspartner anzeigen und vor zu hoher Inzucht warnen.

Die Integration der genomischen Daten bietet auch neue Möglichkeiten für das Populationsmanagement. Zuchtverbände können die genetische Entwicklung ihrer Population besser überwachen und bei Bedarf steuernd eingreifen. Dafür sind entsprechende Auswertungsmodule erforderlich, die beispielsweise die Entwicklung der genetischen Diversität über die Zeit darstellen oder Engpässe in der Population aufzeigen.

Die Kosten für die Software-Nutzung können durch Kooperationen zwischen Zuchtverbänden optimiert werden. Auch hier ist die gemeinsame Nutzung von Systemen durch mehrere Verbände sinnvoll, da die Entwicklungskosten auf mehr Nutzer verteilt werden können.

6. Rechtliche Vorgaben

6.1 Nationale Regelungen

Die Genotypdaten von Hunden unterliegen dem Datenschutz, da sie Eigentum der Hundebesitzer sind und Rückschlüsse auf den Zuchtwert und damit den wirtschaftlichen Wert der Tiere erlauben. Der Zuchtverband muss daher die Einwilligung der Hundebesitzer zur Nutzung der Daten einholen und klare Regelungen für den Umgang mit den Daten aufstellen.

Die Einwilligung der Hundebesitzer sollte bereits bei der Probennahme oder beim Eintritt in den Zuchtverband eingeholt werden. Dabei muss klar definiert sein, wofür die Daten genutzt werden dürfen. Typische Nutzungszwecke sind die Abstammungskontrolle, das Verwandtschaftsmanagement und die Zuchtwertschätzung. Auch die mögliche Nutzung der Daten für Forschungszwecke und der notwendige Datenaustausch mit anderen Zuchtverbänden sollte geregelt sein.

Der Datenschutz muss auf allen Ebenen gewährleistet sein. Das Labor darf die Rohdaten nur an das beauftragte Rechenzentrum weitergeben. Das Rechenzentrum stellt die aufbereiteten Daten nur dem Zuchtverband zur Verfügung. Die Züchter haben nur Zugriff auf die für ihre Zuchtarbeit relevanten Informationen.

6.2 Internationaler Datenaustausch

Der internationale Austausch von Genotypdaten wird in der Hundezucht zunehmend wichtiger. Dies liegt zum einen an der häufigen Nutzung ausländischer Deckrüden, zum anderen an der Notwendigkeit, für manche Anwendungen internationale Referenzpopulationen aufzubauen. Dabei müssen die unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen der beteiligten Länder beachtet werden.

Für den internationalen Datenaustausch sind Vereinbarungen zwischen den Zuchtverbänden erforderlich, die folgende Aspekte regeln:

  • Welche Daten werden ausgetauscht (Rohdaten oder aufbereitete Genotypen)?
  • Wie werden die Daten genutzt und gespeichert?
  • Wie wird der Datenschutz technisch und organisatorisch sichergestellt?
  • Wie werden die Rechte der Hundebesitzer gewahrt?

Besonders wichtig ist dabei die Regelung der Nutzungsrechte bei gemeinsamen Zuchtwertschätzungen oder Forschungsprojekten. Die Vereinbarungen müssen sowohl den wissenschaftlichen und züchterischen Nutzen als auch die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Zuchtverbände und Züchter berücksichtigen.

7. Zusammenfassung und Ausblick

Die SNP-Genotypisierung bietet Zuchtverbänden und Züchtern neue Möglichkeiten für ein effektiveres Zuchtmanagement. Der größte unmittelbare Nutzen liegt dabei im präzisen Management der genetischen Diversität und der Inzucht. Während die heute übliche Abstammungskontrolle mit dem ISAG2020 Panel (230 SNPs) kaum züchterischen Mehrwert bietet, ermöglichen dichtere SNP-Chips wie der CanineSNP20 eine deutlich genauere Verwandtschaftsschätzung als Stammbäume. Dies ist besonders wichtig für Populationen mit unvollständigen Pedigrees, hohem Inzuchtgrad oder bei seltenen Rassen.

Die genomische Zuchtwertschätzung, die in der Rinderzucht bereits Standard ist, erfordert größere Referenzpopulationen und standardisierte Phänotyperfassungen. Diese Voraussetzungen sind in der Hundezucht derzeit meist noch nicht gegeben. Durch Kooperationen zwischen Zuchtverbänden könnten aber die notwendigen Datenmengen oft erreicht werden.

Für die Zukunft zeichnen sich mehrere Entwicklungen ab:

  • Sinkende Kosten für die Genotypisierung durch technischen Fortschritt steigende Stückzahlen
  • Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Zuchtverbänden beim Aufbau gemeinsamer Referenzpopulationen
  • Integration von Genotypdaten in standardmäßige Zuchtprogramme

Für Zuchtverbände empfiehlt sich eine schrittweise Einführung der Genotypisierung:

  1. Umstellung der Abstammungskontrolle auf einen dichteren Chip (zum Beispiel der CanineSNP20)
  2. Nutzung von Software für genomisches Verwandtschaftsmanagement
  3. Entwicklung von Kooperationen mit anderen Verbänden
  4. Langfristig: Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung

Die Investition in die Genotypisierung ist eine Investition in die Zukunft der Rasse. Je früher mit dem systematischen Aufbau einer genotypisierten Population begonnen wird, desto eher können die Vorteile dieser Technologie genutzt werden.

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