Begleithunde Zucht – Ratgeber

Eine neue Perspektive auf die Hundezucht im 21. Jahrhundert

Die Definition valider Zuchtziele für Begleithunderassen

0. Einleitung

Als Hundezüchter stehen Sie vor einer grundlegenden Herausforderung: Sie müssen heute Entscheidungen treffen, die die Entwicklung Ihrer Rasse über Generationen prägen werden. Die zentrale Frage dabei ist: Wie sollen die Hunde Ihrer Rasse in Zukunft aussehen und sich verhalten?

Diese Frage ist besonders bei Begleithunderassen nicht leicht zu beantworten. Viele traditionelle Arbeitsrassen haben ihre ursprüngliche Funktion verloren und werden heute als Begleithunde gehalten. Ihre Zuchtziele wurden jedoch oft nicht entsprechend angepasst. Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Gesellschaft an die Hunde: Sie sollen gesund sein, ein ausgeglichenes Wesen haben und gut in den modernen Alltag passen.

Die Begleithundezucht steht somit vor großen Herausforderungen. Die Validität vieler bestehender Zuchtziele wird zunehmend in Frage gestellt. Traditionell wurden Zuchtziele von Experten definiert, die beschrieben, wie ein typischer Vertreter der Rasse aussehen und sich verhalten sollte. Diese Experten orientierten sich dabei oft an der historischen Funktion der Rasse oder an persönlichen Vorlieben. Die Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen Hundehalter spielten eine untergeordnete Rolle.

Die moderne Begleithundezucht erfordert einen wissenschaftlicheren Ansatz. Dieser muss einerseits die Wünsche und Bedürfnisse der zukünftigen Hundehalter berücksichtigen. Andererseits muss er sicherstellen, dass genügend Menschen die Rasse halten wollen, damit sie langfristig überleben kann. Nur wenn beides zusammenkommt – die Verbesserung der Rasse und eine ausreichende Nachfrage – ist ein Zuchtziel wirklich valide.

Dieses Kapitel zeigt einen systematischen Weg zur Definition solcher validen Zuchtziele auf. Im ersten Teil werden die wissenschaftlichen Grundlagen erläutert: Die Nischentheorie hilft zu verstehen, welche Haltergruppen eine tragfähige Basis für eine Rasse bilden können. Die Social Exchange Theorie erklärt, unter welchen Bedingungen Menschen dauerhaft zufrieden mit ihren Hunden sind. Der Anpassungsgrad einer Rasse misst schließlich, wie gut sie die Bedürfnisse ihrer typischen Besitzer erfüllen kann.

Der zweite Teil widmet sich der systematischen Analyse von Besitzerprofilen und Zielgruppen. Es wird gezeigt, wie Menschen ihre Hunde bewerten und welche unterschiedlichen Gruppen von Hundehaltern es gibt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, ob diese Gruppen eine stabile und ausreichend große Basis für eine Rasse bilden können.

Der dritte Teil führt schließlich zur konkreten Definition valider Zuchtziele. Dabei wird zwischen dem langfristigen Gesamtzuchtziel und dem temporären Zuchtziel unterschieden, das in einem bestimmten Planungszeitraum erreicht werden soll. Es wird gezeigt, wie die Wünsche der Zielgruppen mit den züchterischen Möglichkeiten und den Anforderungen an Gesundheit und Vitalität in Einklang gebracht werden können.

1. Wissenschaftliche Grundlagen

Die Definition valider Zuchtziele erfordert ein theoretisches Fundament. Drei Konzepte sind dabei besonders relevant: Die Theorie ökologischer Nischen erklärt, welche Gruppen von Hundehaltern eine tragfähige Basis für eine Rasse bilden können. Die Social Exchange Theorie zeigt, unter welchen Bedingungen Menschen dauerhaft zufrieden mit ihren Hunden sind. Der Anpassungsgrad einer Rasse misst schließlich, wie gut sie die Bedürfnisse ihrer typischen Besitzer erfüllen kann. Diese drei Konzepte bilden die Grundlage für alle weiteren Überlegungen.

1.1 Die Validität von Zuchtzielen

Ein Zuchtziel beschreibt, wie die Hunde einer Rasse in Zukunft aussehen und sich verhalten sollen. Dabei ist es wichtig, dass das Zuchtziel „valide“ – also gültig und tragfähig – ist. Ein Zuchtziel ist valide, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:

Erstens muss die züchterische Selektion in Richtung des Zuchtziels die Eignung der Rasse für ihren zukünftigen Verwendungszweck verbessern. Das bedeutet: Wenn wir über mehrere Generationen bevorzugt Hunde zur Zucht einsetzen, die dem Zuchtziel besonders nahe kommen, dann müssen deren Nachkommen im Durchschnitt besser zu den Anforderungen der zukünftigen Besitzer passen als die Elterngeneration. Diese Anforderungen können sich durchaus von der historischen Funktion der Rasse unterscheiden. Ein Beispiel: Wenn eine ehemalige Arbeitshunderasse heute hauptsächlich als Familienhund gehalten wird, dann muss die Selektion zu Hunden führen, die sich besser als Familienhunde eignen.

Zweitens muss die Anzahl der Menschen, die die Rasse für diesen Zweck nutzen wollen, ausreichend groß für das langfristige Überleben der Rasse sein. Die Rasse muss also für genügend Menschen so attraktiv sein, dass sie sich bewusst für diese Rasse entscheiden. Eine überlebensfähige Population braucht:

  • Genügend nicht zu eng verwandte Zuchttiere für eine gesunde genetische Vielfalt
  • Eine ausreichende Anzahl engagierter Züchter
  • Genügend Interessenten für die gezüchteten Welpen
  • Eine gewisse Reserve für unvorhergesehene Entwicklungen

Drittens müssen die Gesundheit der Hunde und das Tierwohl auch bei konsequenter Zucht in Richtung des Zuchtziels erhalten bleiben. Dies bedeutet nicht, dass jedes gesundheitliche Risiko vermieden werden muss. Oft sind erwünschte Merkmale mit gesundheitlichen Herausforderungen verbunden – zum Beispiel kurze Schnauzen mit möglichen Atemproblemen oder eine hohe Aktivität mit Belastungen des Bewegungsapparates. In solchen Fällen muss parallel auf die entsprechenden Gesundheitsmerkmale selektiert werden.

Diese drei Anforderungen zeigen: Ein valides Zuchtziel muss die Wünsche der Besitzer, die Überlebensfähigkeit der Population und die Gesundheit der Hunde in Einklang bringen. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die wissenschaftliche Methoden und züchterische Erfahrung erfordert.

Um die Validität eines Zuchtziels zu überprüfen, müssen wir also mehrere Fragen beantworten:

  • Verbessert die Selektion wirklich die Eignung der Rasse für ihren zukünftigen Zweck?
  • Ist die potenzielle Zielgruppe groß und stabil genug?
  • Sind die gewünschten Merkmale mit dauerhafter Gesundheit vereinbar?
  • Welche parallele Selektion auf Gesundheitsmerkmale ist nötig?

Die folgenden Kapitel zeigen, wie diese Fragen systematisch beantwortet werden können. Dafür nutzen wir drei wissenschaftliche Konzepte:

  • Die Theorie ökologischer Nischen erklärt, welche Gruppen von Hundehaltern eine tragfähige Basis für eine Rasse bilden können.
  • Die Social Exchange Theorie hilft zu verstehen, unter welchen Bedingungen Menschen dauerhaft mit ihren Hunden zufrieden sind.
  • Der Anpassungsgrad einer Rasse misst, wie gut sie die Bedürfnisse ihrer zukünftigen Besitzer erfüllen kann.

1.2 Die Nische einer Hunderasse

Der Begriff der ökologischen Nische wurde ursprünglich für wildlebende Tierarten entwickelt. Er beschreibt die Gesamtheit der Umweltbedingungen, unter denen eine Art überleben und sich fortpflanzen kann. Das Konzept lässt sich auch auf Hunderassen übertragen, wobei es einige wichtige Besonderheiten zu beachten gilt.

1.2.1 Das ökologische Nischenkonzept

In der Ökologie unterscheidet man zwischen der fundamentalen und der realisierten Nische einer Art. Die fundamentale Nische umfasst alle Umweltbedingungen, unter denen eine Art theoretisch überleben könnte. Die realisierte Nische ist meist kleiner, da bestimmte Bereiche der fundamentalen Nische durch konkurrierende Arten besetzt sind.

Die Breite einer Nische beschreibt, wie unterschiedlich die Umweltbedingungen sein können, die eine Art toleriert. Generalisten haben breite Nischen – sie können unter vielen verschiedenen Bedingungen überleben. Spezialisten haben enge Nischen – sie sind auf ganz bestimmte Umweltbedingungen angewiesen.

Ein wichtiges Prinzip der Nischentheorie besagt, dass zwei Arten nicht dauerhaft dieselbe Nische besetzen können. Eine Art wird verdrängt oder die Arten entwickeln sich auseinander, so dass sie unterschiedliche Nischen besetzen (Nischendifferenzierung).

1.2.2 Übertragung auf Hunderassen

Bei Hunderassen wird die Nische nicht durch natürliche Umweltbedingungen bestimmt, sondern durch die Menschen, die die Hunde halten. Die „Umweltbedingungen“ sind hier die Bedürfnisse, Wünsche und Lebensumstände der Hundehalter. Die fundamentale Nische einer Rasse umfasst alle potenziellen Haltergruppen, für die die Rasse aufgrund ihrer Eigenschaften geeignet wäre. Die realisierte Nische besteht aus den Haltergruppen, die die Rasse tatsächlich anderen Rassen vorziehen.

Ein wichtiger Unterschied zu wildlebenden Arten besteht darin, dass mehrere Hunderassen dauerhaft dieselbe Nische besetzen können. Der Grund ist, dass die Nachfrage nach einer Rasse oft umso höher wird, je seltener sie ist. Während bei wildlebenden Arten eine geringe Populationsgröße meist nachteilig ist, kann sie bei Hunderassen zu einer höheren Nachfrage und damit zu besseren Überlebenschancen führen.

Dennoch ist eine Nischendifferenzierung zwischen Rassen oft sinnvoll. Wenn sich ähnliche Rassen in bestimmten Merkmalen unterscheiden, können sie verschiedene Haltergruppen besonders gut bedienen. Dies verringert die direkte Konkurrenz zwischen den Rassen.

1.2.3 Stabilität von Nischen

Die Stabilität einer Nische ist entscheidend für das langfristige Überleben einer Rasse. Gesellschaftliche Veränderungen können dazu führen, dass bestimmte Haltergruppen schrumpfen oder ganz verschwinden. Ein Beispiel sind Arbeitshunderassen, deren ursprüngliche Funktion nicht mehr gebraucht wird. Diese Rassen müssen neue Nischen finden oder aussterben.

Bei der Definition von Zuchtzielen muss daher die zukünftige Entwicklung der Nische berücksichtigt werden:

  • Wie stabil ist die Haltergruppe, auf die die Rasse ausgerichtet wird?
  • Ist die Nische groß genug für eine überlebensfähige Population?
  • Welche gesellschaftlichen Veränderungen könnten die Nische beeinflussen?
  • Wie stark ist die Konkurrenz durch andere Rassen?

Zu spezialisierte Rassen sind besonders anfällig für Veränderungen ihrer Nische. Eine gewisse Breite der Nische erhöht die Chance, dass eine Rasse auch bei sich ändernden Bedingungen überleben kann. Allerdings wird es mit zunehmender Nischenbreite schwieriger, allen Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden.

1.2.4 Bedeutung für die Zuchtzieldefinition

Die Analyse der Nische einer Rasse ist grundlegend für die Definition valider Zuchtziele. Ein Zuchtziel ist nur dann valide, wenn es die Anpassung der Rasse an eine stabile, ausreichend große Nische verbessert. Dies erfordert:

  1. Eine genaue Analyse der aktuellen und potenziellen Haltergruppen
  2. Eine Bewertung der Stabilität und Größe dieser Gruppen
  3. Die Berücksichtigung konkurrierender Rassen
  4. Eine Abschätzung zukünftiger Entwicklungen

Die Zuchtziele müssen so gewählt werden, dass sie die Eignung der Rasse für ihre Nische optimieren. Dabei ist zu beachten, dass unterschiedliche Haltergruppen verschiedene, teilweise widersprüchliche Anforderungen haben können. Die Gewichtung dieser Anforderungen muss die relative Bedeutung der verschiedenen Haltergruppen für das Überleben der Rasse berücksichtigen.

1.3 Die Social-Exchange Theorie

Die Social Exchange Theorie wurde ursprünglich entwickelt, um menschliche Beziehungen zu analysieren. Sie geht davon aus, dass Menschen Beziehungen eingehen und aufrechterhalten, wenn der wahrgenommene Nutzen die wahrgenommenen Kosten übersteigt. Dieses Konzept lässt sich auch auf die Mensch-Hund-Beziehung anwenden und liefert wichtige Erkenntnisse für die Hundezucht.

1.3.1 Grundkonzepte der Social Exchange Theorie

Nach der Social Exchange Theorie streben Menschen nach positiven Beziehungserfahrungen. Sie bewerten ihre Beziehungen kontinuierlich, indem sie Kosten und Nutzen abwägen. Diese Bewertung erfolgt nicht absolut, sondern im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen an die Beziehung, zu möglichen Alternativen und zu früheren Erfahrungen. Dabei fließen nicht nur materielle Aspekte in die Bewertung ein. Gerade emotionale und soziale Belohnungen spielen eine wichtige Rolle. Eine Beziehung wird als befriedigend erlebt, wenn das Verhältnis von Nutzen zu Kosten positiv ist und den individuellen Erwartungen entspricht.

1.3.2 Unterschiedliche Beziehungserwartungen

Menschen haben sehr unterschiedliche Erwartungen an ihre Beziehung zu einem Hund. Manche suchen vor allem emotionale Unterstützung und einen engen sozialen Kontakt. Für sie steht die Beziehungsqualität im Vordergrund. Andere Menschen möchten mit ihrem Hund vor allem aktiv sein und Sport treiben. Sie bewerten die Beziehung stark über gemeinsame Aktivitäten. Wieder andere sehen den Hund hauptsächlich als Statussymbol oder Ergänzung ihres Lebensstils.

Diese unterschiedlichen Beziehungserwartungen erklären zum Teil die Vielfalt der Hunderassen. Für jede Art von erwünschter Beziehung haben sich spezialisierte Rassen entwickelt. So gibt es ausgesprochen soziale Rassen für Menschen mit hohem Bedürfnis nach emotionaler Nähe, aktive und arbeitsfreudige Rassen für sport- und arbeitsbegeisterte Menschen oder repräsentative Rassen für Menschen, die Wert auf äußere Erscheinung legen.

1.3.3 Bedeutung für die Beziehungsstabilität

Die Theorie macht wichtige Vorhersagen zur Stabilität von Beziehungen. Eine Mensch-Hund-Beziehung wird vor allem dann als befriedigend erlebt, wenn der Hund die spezifischen Erwartungen seines Besitzers erfüllen kann. Dabei können hohe „Kosten“ wie etwa ein hoher Pflegeaufwand durchaus akzeptiert werden, wenn der erlebte emotionale Nutzen entsprechend hoch ist. Erfahrene Hundehalter sind oft zufriedener mit ihren Hunden, weil sie realistischere Erwartungen haben und eine besser passende Rasse wählen können.

Probleme entstehen vor allem dann, wenn die Erwartungen dauerhaft enttäuscht werden. Ein sportlicher Mensch wird mit einem phlegmatischen Hund nicht glücklich, während ein ruhiger Mensch mit einem hyperaktiven Hund überfordert sein kann. Dies erklärt, warum bestimmte Rassen bei bestimmten Besitzergruppen besonders häufig wieder abgegeben werden – sie können die spezifischen Beziehungserwartungen dieser Gruppe nicht erfüllen.

1.3.4 Implikationen für die Hundezucht

Die Erkenntnisse der Social Exchange Theorie sind fundamental für die Definition von Zuchtzielen. Die Zuchtziele einer Rasse müssen so definiert werden, dass die Hunde die Beziehungserwartungen ihrer Zielgruppe erfüllen können. Dabei geht es nicht darum, möglichst „pflegeleichte“ Hunde zu züchten. Vielmehr muss das Gesamtpaket aus Nutzen und Kosten für die jeweilige Zielgruppe stimmig sein.

Die Theorie erklärt auch, warum es sinnvoll ist, unterschiedliche Rassen für unterschiedliche Zielgruppen zu züchten, statt eine universelle „Idealrasse“ anzustreben. Die Beziehungserwartungen verschiedener Besitzergruppen sind so unterschiedlich, dass sie kaum von einer einzelnen Rasse optimal erfüllt werden können. Die Vielfalt der Hunderassen spiegelt die Vielfalt menschlicher Beziehungserwartungen wider.

1.4 Der Anpassungsgrad einer Rasse

Eine Hunderasse ist dann erfolgreich, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Besitzer gut erfüllt und wenn die Züchter erfolgreich mit ihr arbeiten können. Der Anpassungsgrad einer Rasse fasst diese beiden Aspekte in einer Zahl zusammen. Er misst sozusagen, wie gut eine Rasse in ihre „Nische“ passt.

1.4.1 Wie wird der Anpassungsgrad berechnet?

Der Anpassungsgrad einer Rasse an ihre vorgesehene Nische \(P\) berechnet sich als gewichteter Durchschnitt der Bewertungen durch Züchter und Besitzer:

\[a(μ,P) = E(a_z TM_z(y) + a_p TM_p(y))\]

Dabei beschreibt $μ$ die durchschnittlichen Merkmalsausprägungen der Rasse. Die vorgesehene Nische wird durch die Profile der potenziellen Halter definiert – also durch deren Bedürfnisse und die Rahmenbedingungen, unter denen sie ihre Hunde halten. Die Funktion $TM_z(y)$ beschreibt, wie ein Züchter mit Profil $z$ einen Hund mit Merkmalen $y$ bewertet, während $TM_p(y)$ die Bewertung durch einen Halter mit Profil $p$ beschreibt, der seinem Hund die vorgesehene Nische $P$ bietet.

Die Gewichte $a_z$ und $a_p$ bestimmen dabei, wie stark diese beiden Bewertungen in die Gesamtbewertung einfließen. Sie werden danach gewählt, ob eher die Nachfrage durch die Besitzer oder das Angebot durch die Züchter die Populationsgröße begrenzt.

1.4.2 Die Sicht der Besitzer

Besitzer bewerten einen Hund danach, wie gut er ihre Bedürfnisse im Alltag erfüllt. Ein sportlicher Mensch freut sich über einen aktiven Hund, während ein ruhiger Mensch einen entspannten Begleiter bevorzugt. Wie genau Besitzer ihre Hunde bewerten, wird im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben.

Die durchschnittliche Bewertung durch die Besitzer bestimmt die Nachfrage nach der Rasse. Nur wenn genügend Menschen mit den Hunden zufrieden sind, werden ausreichend Welpen ein neues Zuhause finden.

1.4.3 Die Sicht der Züchter

Züchter haben zusätzliche Anforderungen an ihre Hunde. Für sie sind Aspekte wie Gesundheit, Fruchtbarkeit und Aufzuchtverhalten besonders wichtig. Ein Hund mag als Begleithund perfekt sein – wenn er sich nicht erfolgreich fortpflanzen kann, ist er für die Zucht wertlos.

Die durchschnittliche Bewertung durch die Züchter bestimmt das Angebot an Welpen. Nur wenn die Züchter erfolgreich mit den Hunden arbeiten können, wird die Rasse langfristig überleben.

1.4.4 Was bedeutet das für die Zucht?

Der Anpassungsgrad zeigt uns zwei wichtige Dinge:

  • Erstens kommt es auf den Durchschnitt an. Einzelne Spitzenhunde oder Schausieger tragen wenig zum Anpassungsgrad bei. Eine Rasse ist nur dann gut angepasst, wenn die Mehrheit ihrer Hunde die Bedürfnisse von Besitzern und Züchtern erfüllt.
  • Zweitens müssen die Zuchtziele beiden Seiten gerecht werden – den Besitzern und den Züchtern. Die besten Familienhunde nützen nichts, wenn sie sich nicht vernünftig züchten lassen. Umgekehrt sind hervorragende Zuchteigenschaften wertlos, wenn niemand die Hunde haben möchte.

Ein Zuchtziel ist daher nur dann sinnvoll, wenn es den Anpassungsgrad der Rasse erhöht – wenn also die Hunde im Durchschnitt besser zu den Anforderungen von Besitzern und Züchtern passen.

2. Analyse von Besitzerprofilen und Zielgruppen

Ein Zuchtziel ist nur dann valide, wenn es die Eignung einer Rasse für ihre zukünftigen Besitzer verbessert und wenn genügend Menschen die Rasse für diesen Zweck nutzen wollen. Dies erfordert ein genaues Verständnis davon, wie Menschen ihre Hunde bewerten und welche Haltergruppen eine stabile und ausreichend große Basis für eine Rasse bilden können.

Dieser Abschnitt führt zunächst systematisch alle Komponenten ein, die in die Bewertung eines Hundes durch seinen Besitzer einfließen. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie unterschiedliche Besitzertypen charakterisiert und auf ihre Eignung als Zielgruppe untersucht werden können.

2.1 Die Bewertung eines Hundes durch seinen Besitzer

2.1.1 Komponenten des Gesamtwertes

Um die Beurteilung eines Hundes durch seinen Besitzer systematisch analysieren zu können, müssen wir verstehen, wie sich der Gesamtwert eines Hundes zusammensetzt. Dieser Gesamtwert hängt nicht nur vom Hund selbst ab, sondern auch vom Besitzerprofil – also davon, welche Bedürfnisse der Besitzer hat und unter welchen Rahmenbedingungen er den Hund hält. Um diese Bewertung systematisch analysieren zu können, zerlegen wir sie in verschiedene Komponenten.

Der Gesamtwert $TM_p(y)$ eines Hundes mit Eigenschaften $y$ für einen Besitzer mit Besitzerprofil $p$ setzt sich zusammen aus dem monetären Profit oder Verlust, den nicht-monetären Belohnungen (positive Aspekte) und den nicht-monetären Kosten (negative Aspekte). Mathematisch ausgedrückt:

\[TM_p(y) = φ_r(y) + λ_p(R_p(y) – C_p(y))\]

Er setzt sich also zusammen aus:

  • Dem monetären Profit $φ_r(y)$ unter den gegebenen Rahmenbedingungen $r$
  • Der nicht-monetären Belohnung $R_p(y)$ für den Besitzer, die misst, wie gut der Hund die Bedürfnisse seines Besitzers erfüllt,
  • Den nicht-monetären Kosten $C_p(y)$, die den subjektiv empfundenen Aufwand erfassen
  • Dem Gewichtungsfaktor $λ_p$, der die relative Bedeutung der nicht-monetären Aspekte ausdrückt.

Ein Beispiel: Eine Person erwirbt einen Welpen für 2500 Euro. Bei einer erwarteten Lebenszeit von 10 Jahren entspricht dies Anschaffungskosten von 250 Euro pro Jahr. Hinzu kommen jährliche Kosten von etwa 1500 Euro für das Futter, Tierarztbesuche, Hundesteuer und Haftpflichtversicherung, Zubehör, Spielzeug und Hundeschule. Das macht insgesamt etwa 1750 Euro jährlich oder 145 Euro monatlich. Der monetäre Profit ist also deutlich negativ. Aber der Hund gibt seinem Besitzer viel Zuneigung, motiviert zu regelmäßiger Bewegung und erleichtert soziale Kontakte (nicht-monetäre Belohnungen). Gleichzeitig schränkt er jedoch die persönliche Freiheit ein und verursacht manchmal Stress (nicht-monetäre Kosten). Wenn die positiven Aspekte die negativen deutlich überwiegen und der Besitzer nicht-monetäre Aspekte hoch genug gewichtet (großes $λ_p$), kann der Gesamtwert trotz negativem monetären Profit sehr positiv sein.

Der Gewichtungsfaktor $λ_p$ in der Bewertungsfunktion bestimmt, wie stark die nicht-monetären Aspekte im Vergleich zu den monetären Aspekten gewichtet werden. Ein großer Wert von $λ_p$ bedeutet, dass der Besitzer bereit ist, höhere finanzielle Kosten in Kauf zu nehmen, wenn dafür die nicht-monetären Belohnungen hoch und die nicht-monetären Kosten niedrig sind.

Ein Beispiel: Eine Person, die einen Hund als Ersatz für ein Kind betrachtet, würde einen Hund mit hohen Pflegekosten akzeptieren, wenn dieser dafür besonders anhänglich ist und die emotionalen Bedürfnisse der Person optimal erfüllt (hohe nicht-monetäre Belohnungen). In diesem Fall würde $λ_p$ groß sein. Andererseits: Eine Person, die mehrere Hunde hält, muss sich deren Haltung auch leisten können. In diesem Fall wäre $λ_p$ eher klein.

2.1.2 Der monetäre Profit

Der monetäre Profit $φ_r(y)$ eines Hundes ergibt sich aus der Differenz zwischen monetären Erträgen und Kosten. Bei Begleithunden entstehen meist nur Kosten. Diese Kosten lassen sich systematisch erfassen:

Die einmaligen Kosten beinhalten die Anschaffungskosten für den Hund, die Grundausstattung (Leine, Geschirr, Näpfe, Korb etc.) und ggf. den Besuch einer Hundeschule. Die laufenden Kosten beinhalten das Futter, regelmäßige Tierarztbesuche inklusive Impfungen/Wurmkuren, die Hundesteuer, die Haftpflichtversicherung, und Ersatz für Ausstattung und Spielzeug. Die unregelmäßigen Kosten beinhalten zusätzliche Tierarztkosten bei Krankheit, Reparaturen von Schäden, die der Hund verursacht und ggf. die Hundepension im Urlaub.

Die Höhe dieser Kosten wird stark von den Rahmenbedingungen $r$ beeinflusst. Zu den wichtigen Einflussfaktoren gehören lokale Preise für Futter und Tierarztleistungen, sowie die Verfügbarkeit günstiger Hundebetreuung und günstiger Hundetrimmer.

Der monetäre Profit lässt sich für jeden Hundehalter individuell berechnen, da alle Komponenten in Geldeinheiten gemessen werden. Für unsere Zwecke sind die durchschnittlichen Kosten für typische Halter der Rasse zu ermitteln und zwar in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen und den Merkmalen des Hundes, wie seiner Größe und seiner Fellstruktur. Dies kann durch systematische Befragungen einer repräsentativen Stichprobe von Hundehaltern erfolgen. Dabei sollten die Kosten über mehrere Jahre erfasst werden, um auch unregelmäßige Kosten angemessen zu berücksichtigen.

2.1.3 Die nicht-monetären Belohnungen

Die nicht-monetären Belohnungen $R_p(y)$ umfassen alle positiven Aspekte der Hundehaltung, die sich nicht direkt in Geld ausdrücken lassen. Sie messen, wie gut ein Hund die Bedürfnisse seines Besitzers erfüllen kann.

Die nicht-monetären Belohnungen lassen sich mathematisch als

\[R_p(y) = \tau_\mathrm{max} – \sqrt{\sum_i \sum_m w_{im} (Opt_{im}-y_m)^2}\]

beschreiben. Dabei läuft $i$ über alle Dimensionen des Bedürfnisprofils $d$ und $m$ läuft über alle relevanten Merkmale des Hundes. Der Faktor $w_{im}$ gewichtet die Bedeutung von Merkmal $m$ für die Befriedigung von Bedürfnis $i$, $Opt_{im}$ ist der Optimalwert von Merkmal $m$, der am besten geeignet ist, Bedürfnis $i$ zu befriedigen, und $y_m$ ist der tatsächliche Wert des Hundes für Merkmal $m$. Die Konstante $\tau_\mathrm{max}$ ist ein ausreichend großer Wert, damit $R_p(y)$ positiv bleibt.

Die Formel hat mehrere wichtige Eigenschaften:

  • Je näher die Merkmalswerte an den Optimalwerten liegen, desto größer ist die nicht-monetäre Belohnung $R_p(y)$ des Besitzers.
  • Durch die Gewichte $w_{im}$ können verschiedene Merkmale unterschiedlich stark berücksichtigt werden
  • Die Quadrierung bewirkt, dass geringe Abweichungen vom Optimum weniger stark bestraft werden und dass man die Eigenschaften der Funktion mathematisch gut analysieren kann.
  • Die Wurzelfunktion bewirkt, dass die Funktion annähernd linear ist, wenn die tatsächlichen Werte stark von den Optimalwerten abweichen.

Ein Beispiel: Ein Ruheständler hat vielleicht das Bedürfnis, dass der Hund für ihn leicht zu handhaben sein soll ($i=1$) und bevorzugt daher einen Hund mittlerer Größe. Für ihn liegt die optimale Widerristhöhe bei $Opt_{im}=45 cm$. Größere oder kleinere Hunde werden weniger positiv bewertet. Die Abweichung wird quadratisch gewichtet, kleine Abweichungen fallen also wenig ins Gewicht.

Die Optimalwerte und Gewichte können durch verschiedene Methoden ermittelt werden:

  • Standardisierte Fragebögen zur Mensch-Hund-Beziehung
  • Discrete Choice Experimente, bei denen Hundehalter zwischen hypothetischen Hunden wählen müssen
  • Strukturierte Interviews mit erfahrenen Hundehaltern
  • Beobachtungsstudien der Mensch-Hund-Interaktion

Dabei ist wichtig zu beachten, dass sowohl die Optimalwerte als auch die Gewichte vom Besitzerprofil abhängen – verschiedene Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was einen idealen Hund ausmacht.

2.1.4 Die nicht-monetären Kosten

Die nicht-monetären Kosten $C_p(y)$ umfassen alle negativen Aspekte der Hundehaltung, die über die reinen Geldkosten hinausgehen. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass sie linear ist:

\[C_p(y) = \sum_m (v_m – v_m^\mathrm{mon})  y_m\]

Dabei läuft $m$ über alle relevanten Merkmale des Hundes, die sich auf die Kosten für den Besitz des Tieres auswirken und für die die wahrgenommenen Kosten $v_m$ größer sind als die tatsächlichen monetären Kosten $v_m^\mathrm{mon}$. Dabei ist $v_m$ ist der Preis, den ein Halter mit Bedürfnisprofil $p$ für die dauerhafte Verbesserung von Merkmal $m$ um eine Einheit zu zahlen bereit wäre, und  $y_m$ ist der tatsächliche Wert des Hundes für Merkmal $m$, welches so kodiert ist, dass ein kleiner Wert erwünscht ist.

Die unterschiedliche mathematische Form der Funktionen für nicht-monetäre Belohnungen und Kosten spiegelt dabei wider, dass Belohnungen aus der optimalen Erfüllung verschiedener Bedürfnisse entstehen, während Kosten minimiert werden sollen. Bei den Belohnungen gibt es für jedes Merkmal einen Optimalwert, während bei den Kosten gilt: je niedriger, desto besser.

Nicht-monetäre Kosten entstehen durch den zeitlichen Aufwand für Pflege, Erziehung und Bewegung, Einschränkungen der persönlichen Freiheit, Stress durch unerwünschtes Verhalten, Sorgen um die Gesundheit des Hundes, emotionale Belastung durch Krankheit oder Tod des Hundes, Konflikte mit Nachbarn oder anderen Menschen und Einschränkungen bei Reisen oder Unternehmungen.

Die Höhe dieser Kosten hängt stark von den Rahmenbedingungen ab. Ein Beispiel: Ein stark bellender Hund verursacht in einem Mehrfamilienhaus mit hellhörigen Wänden deutlich höhere nicht-monetäre Kosten als in einem freistehenden Haus. Die Gewichte $v_m$ sollten daher die spezifischen Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Die relevanten Merkmale können durch verschiedene Methoden ermittelt werden:

  • Befragungen von Menschen, die ihren Hund abgegeben haben
  • Analysen von Beschwerden über Hunde
  • Befragungen zu kritischen Situationen in der Hundehaltung

Da die nicht-monetären Kosten oft erst im Laufe der Zeit deutlich werden, sind Langzeitstudien besonders wertvoll. Sie zeigen, welche Eigenschaften eines Hundes dauerhaft als belastend empfunden werden.

2.2 Das Besitzerprofil

Das Besitzerprofil beschreibt, welche „Nische“ ein Hundehalter seinem Hund bietet. Es setzt sich zusammen aus den Bedürfnissen, die der Halter durch seinen Hund erfüllt haben möchte, und den Rahmenbedingungen, unter denen der Hund gehalten wird. Beide Aspekte müssen bei der Definition von Zuchtzielen berücksichtigt werden.

2.2.1 Struktur des Bedürfnisprofils

Menschen haben sehr unterschiedliche Gründe, warum sie einen Hund halten möchten. Diese Gründe basieren auf fundamentalen Bedürfnissen, die weit über kurzlebige Modetrends hinausgehen. Bei der Definition von Zuchtzielen müssen wir diese grundlegenden Bedürfnisse verstehen. Sie lassen sich in sieben Kategorien einteilen:

Profitorientierte Bedürfnisse sind bei Begleithunden meist von untergeordneter Bedeutung. Eine wichtige Ausnahme sind die Züchter – für sie ist es existenziell wichtig, dass sich die Hundezucht zumindest selbst trägt. Sie brauchen gesunde, fruchtbare Hunde mit guten Muttereigenschaften. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte ist keine Modeerscheinung, sondern eine notwendige Voraussetzung für das langfristige Überleben einer Rasse.

Grundlegende emotionale Bedürfnisse bilden oft den Kern der Mensch-Hund-Beziehung. Menschen haben ein fundamentales Bedürfnis nach sozialer Bindung und emotionaler Nähe. Hunde können dieses Bedürfnis auf vielfältige Weise erfüllen: Sie geben bedingungslose Zuneigung, bieten Gesellschaft und vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit. Auch das Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Berührung – ein menschliches Grundbedürfnis – kann durch einen Hund befriedigt werden. Manche Menschen schätzen auch das Gefühl von Sicherheit, das ein Hund vermitteln kann. Diese emotionalen Bedürfnisse sind tief in der menschlichen Psyche verankert und werden sich nicht grundlegend ändern.

Das Bedürfnis nach gemeinsamen Aktivitäten ist ebenfalls zeitlos. Menschen suchen einen Partner für Sport und Bewegung, für Naturerlebnisse oder für das Erreichen gemeinsamer Ziele. Der Hund kann dabei helfen, fit zu bleiben und die Natur intensiver zu erleben. Gemeinsame Erfolge – sei es im Hundesport oder in der Hundeerziehung – geben ein befriedigendes Gefühl von Kompetenz und können auch zu sozialer Anerkennung führen. Diese Bedürfnisse basieren auf dem menschlichen Streben nach Aktivität, Selbstwirksamkeit und Entwicklung.

Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung mag oberflächlich erscheinen, hat aber tiefere psychologische Wurzeln. Menschen nutzen viele Aspekte ihres Lebens – von der Kleidung bis zur Wohnungseinrichtung – um ihre Persönlichkeit auszudrücken. Auch ein Hund kann Teil dieser Selbstdarstellung sein. Dabei geht es nicht primär um Modetrends, sondern um die authentische Darstellung der eigenen Identität. Ein körperlich starker Mensch mag sich in einem kräftigen Hund wiederfinden, während eine elegante Person möglicherweise einen anmutigen Hund bevorzugt.

Pädagogische Bedürfnisse entstehen aus dem Wunsch, Kindern wichtige Werte und Fähigkeiten zu vermitteln. Ein Hund kann Kindern helfen, Empathie zu entwickeln – sie lernen, sich in ein anderes Lebewesen einzufühlen und dessen Bedürfnisse zu respektieren. Durch die Mitverantwortung für den Hund können Kinder lernen, zuverlässig Aufgaben zu übernehmen. Der tägliche Umgang mit dem Hund fördert auch ihre Naturverbundenheit und ihr Verständnis für die Tierwelt. Diese erzieherischen Aspekte der Hundehaltung sind zeitlos und kulturübergreifend wichtig.

Das Bedürfnis nach Alltagstauglichkeit ist grundlegend für eine erfolgreiche Mensch-Hund-Beziehung. Der Hund muss sich in den Alltag seines Besitzers einfügen können, ohne ständig Probleme zu verursachen oder übermäßige Ansprüche zu stellen. Was als „alltagstauglich“ empfunden wird, hängt dabei stark von den persönlichen Möglichkeiten ab. Für einen erfahrenen Hundehalter mit viel Zeit kann ein pflegeintensiver oder anspruchsvoller Hund durchaus alltagstauglich sein, während derselbe Hund einen Anfänger überfordern würde.

Altruistische Bedürfnisse gehen über den unmittelbaren Eigennutz hinaus. Manche Menschen möchten eine traditionelle Rasse erhalten oder eine bedrohte Rasse unterstützen. Dieses Bedürfnis basiert auf dem menschlichen Wunsch, etwas Wertvolles zu bewahren und einen positiven Beitrag zu leisten. Solche altruistischen Motive können dazu führen, dass auch kleine Populationen überleben können.

Jede dieser Kategorien ließe sich weiter in Unterkategorien zerlegen und die Bewertung eines Halters in den verschiedenen Kategorien und Unterkategorien ergibt sein Bedürfnisprofil. Die relative Bedeutung dieser Bedürfnisse ist von Person zu Person unterschiedlich, wodurch sich unterschiedliche Bedürfnisprofile ergeben. Diese individuellen Kombinationen prägen, welche Eigenschaften ein Mensch bei einem Hund besonders schätzt. Anders als kurzlebige Modetrends sind diese grundlegenden Bedürfnisse über die Zeit weitgehend stabil und kulturübergreifend zu beobachten, da sie in der menschlichen Psychologie und in fundamentalen sozialen Bedürfnissen wurzeln. Diese Stabilität macht sie zu einer verlässlichen Basis für die Definition valider Zuchtziele.

2.2.2 Struktur der Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen entscheiden darüber, wie gut ein Hund die Bedürfnisse seines Besitzers erfüllen kann. Sie lassen sich in vier grundlegende Kategorien einteilen:

Personenbezogene Voraussetzungen prägen entscheidend, welcher Hund zu einem Menschen passt. Dazu gehören die körperliche Fitness und Gesundheit des Halters, seine Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit Hunden, seine Fähigkeit und Bereitschaft zu konsequenter Erziehung, eventuelle gesundheitliche Einschränkungen wie Allergien, seine Persönlichkeitsmerkmale wie Geduld oder Durchsetzungsvermögen und seine zeitlichen Möglichkeiten für die Hundehaltung.

Umgebungsbedingungen stellen spezifische Anforderungen an einen Hund. Dazu gehören die Wohnsituation (Haus mit Garten, Stadtwohnung, Etagenwohnung), das Wohnumfeld (ländlich, städtisch, Großstadt), die Verfügbarkeit von Auslaufmöglichkeiten, die klimatischen Bedingungen, die Nähe zu Nachbarn oder anderen Menschen und die Anwesenheit weiterer Haustiere.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen bestimmen die finanziellen Aspekte der Hundehaltung. Sie bestimmen die lokalen Anschaffungspreise für Hunde, die Kosten für Futter und Zubehör, die üblichen Tierarzthonorare, die Preise für professionelle Dienstleistungen wie Hundeschule oder Hundefriseur, die Kosten für Hundebetreuung und die Verdienstmöglichkeiten durch Hundezucht.

Rechtliche Rahmenbedingungen setzen den formalen Rahmen für die Hundehaltung. Hierzu gehören allgemeine Vorschriften zur Hundehaltung, spezielle Auflagen für bestimmte Rassen und tierschutzrechtliche Bestimmungen.

Diese Rahmenbedingungen sind nicht starr, sondern können sich im Laufe der Zeit ändern. Zum Beispiel können sich Gesetze verschärfen, die wirtschaftliche Situation kann sich wandeln oder ein Umzug kann die Umgebungsbedingungen verändern. Bei der Definition von Zuchtzielen müssen daher auch mögliche zukünftige Entwicklungen der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Die Rahmenbedingungen bestimmen auch, wie stark bestimmte Eigenschaften eines Hundes ins Gewicht fallen. Ein Beispiel: Eine hohe Bellfreudigkeit ist in einem freistehenden Haus auf dem Land möglicherweise unproblematisch, während sie in einer hellhörigen Stadtwohnung zu einem erheblichen Problem werden kann. Ähnliches gilt für einen hohen Bewegungsdrang, der bei einem aktiven Menschen mit viel Zeit positiv sein kann, einen vielbeschäftigten Stadtmenschen aber überfordert.

Für die Hundezucht bedeutet dies: Es reicht nicht, die Bedürfnisse der typischen Halter zu kennen. Man muss auch wissen, unter welchen Rahmenbedingungen die Hunde typischerweise gehalten werden. Nur wenn beide Aspekte zusammenpassen, kann ein Zuchtziel valide sein.

2.3 Analyse von Zielgruppen für Begleithunderassen

Für die Definition valider Zuchtziele ist ein genaues Verständnis der potenziellen Zielgruppen fundamental. Nur wenn wir wissen, welche Besitzergruppen eine stabile „Nische“ für eine Rasse bilden können, können wir die Rasse gezielt für diese Gruppen züchten.

2.3.1 Klassifizierung von Hundehaltern

Hundehalter lassen sich durch ihr Besitzerprofil charakterisieren – die Kombination aus ihrem Bedürfnisprofil und ihren Rahmenbedingungen. In der modernen Gesellschaft haben sich verschiedene charakteristische Typen herauskristallisiert:

Ein erster wichtiger Typ ist der „Kindersatz-Typ„. Diese Menschen suchen im Hund einen Ersatz für ein Kind. Sie wünschen sich einen besonders niedlichen Hund, der dem Kindchenschema entspricht. Für sie steht der enge emotionale Kontakt zum Hund im Vordergrund. Sie möchten ihren Hund umsorgen und pflegen, wobei sie auch einen hohen Pflegeaufwand akzeptieren. Häufig findet man diesen Typ bei Menschen ohne Kinder oder Rentnern.

Der „Aktiv-Sportliche“ sucht dagegen einen Partner für gemeinsame Aktivitäten. Diese Menschen bevorzugen athletische und leistungsfähige Hunde mit guter Trainierbarkeit. Sie wollen einen „richtigen Hund“ und legen weniger Wert auf ein niedliches Aussehen. Da sie den Hund körperlich fordern möchten, brauchen sie einen gesundheitlich belastbaren Hund. Die Halter selbst sind meist sportlich aktiv.

Für den „Lifestyle-Orientierten“ ist der Hund vor allem Teil seines persönlichen Stils. Diese Menschen legen größten Wert auf das Aussehen ihres Hundes und suchen oft ausgefallene oder trendige Rassen. Sie wollen mit ihrem Hund gesehen werden und investieren viel in Pflege und Accessoires. Man findet sie häufig in urbanem Umfeld.

Die „Familien-Integrierer“ wollen den Hund als vollwertiges Familienmitglied. Für sie steht eine gute Sozialverträglichkeit des Hundes an erster Stelle. Sie brauchen einen robusten und belastbaren Hund, der gut zu erziehen ist. Da der Familienalltag oft turbulent ist, bevorzugen sie pflegeleichte Rassen. Diese Halter leben meist in familienfreundlicher Umgebung.

Der „Soziale Vernetzer“ sucht über den Hund den Kontakt zu anderen Menschen. Für ihn ist ein besonders umgänglicher Hund wichtig, mit dem er an verschiedenen Hundeaktivitäten teilnehmen kann. Er schätzt „vorzeigbare“ Rassen und integriert sich gerne in die „Hundeszene“. Oft hat dieser Typ ein großes Interesse an Gruppenaktivitäten.

Ein weiterer wichtiger Typ ist der „Ruheständler„, der sich einen ruhigen Begleiter wünscht. Diese Menschen bevorzugen Hunde moderater Größe und Kraft mit ausgeglichenem Wesen. Sie suchen einen anhänglichen aber nicht überfordernden Hund mit moderaten Bewegungsansprüchen.

2.3.2 Anforderungsprofile der Zielgruppen

Aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der Haltertypen ergeben sich sehr spezifische Anforderungen an die Hunde. Diese müssen bei der Zuchtzieldefinition berücksichtigt werden.

Für den „Kindersatz-Typ“ muss der Hund vor allem emotional verfügbar sein. Das bedeutet, er sollte ein sehr menschenbezogenes, anhängliches Wesen haben und gerne kuscheln. Sein Aussehen sollte kindliche Züge aufweisen – ein rundlicher Kopf mit relativ großen Augen und einer kurzen Schnauze wird von diesen Menschen als besonders ansprechend empfunden. Da sie bereit sind, viel Zeit in ihren Hund zu investieren, können auch pflegeintensive Rassen für diese Gruppe geeignet sein.

Der „Aktiv-Sportliche“ braucht einen ganz anderen Hundetyp. Sein Hund muss körperlich belastbar und leistungsfähig sein. Eine gute Trainierbarkeit und hohe Motivation zur Zusammenarbeit sind entscheidend. Das Aussehen sollte athletisch und dynamisch sein – zu niedliche Hunde werden von dieser Gruppe oft abgelehnt. Die Gesundheit, insbesondere des Bewegungsapparates, muss sehr robust sein.

Für den „Lifestyle-Orientierten“ steht das äußere Erscheinungsbild an erster Stelle. Der Hund sollte einem aktuellen Trend entsprechen oder durch besondere Merkmale auffallen. Dabei kann es sich um eine außergewöhnliche Fellfarbe, eine besondere Körperform oder andere markante Merkmale handeln. Das Verhalten ist zweitrangig, sollte aber gesellschaftsfähig sein.

Die „Familien-Integrierer“ brauchen einen vielseitigen Hund. Er muss einerseits robust und belastbar sein, um den oft turbulenten Familienalltag gut zu verkraften. Andererseits muss er ein sehr ausgeglichenes, geduldiges Wesen haben, besonders im Umgang mit Kindern. Die Pflege sollte möglichst unkompliziert sein, da im Familienalltag oft wenig Zeit dafür bleibt.

Der „Soziale Vernetzer“ benötigt einen Hund mit ausgeprägter Menschenfreundlichkeit. Das Aussehen sollte ansprechend sein, da der Hund als „Türöffner“ für soziale Kontakte dient. Besonders wichtig ist ein ausgeglichenes Wesen ohne übertriebene Reaktionen, da der Hund in vielen verschiedenen sozialen Situationen zurechtfinden muss.

Für den „Ruheständler“ eignet sich ein Hund, der weder körperlich noch charakterlich überfordert. Er sollte gut führbar sein und keine extremen Ansprüche stellen. Die Größe sollte so gewählt sein, dass der Halter den Hund auch im Alter noch sicher führen kann. Ein freundliches, ausgeglichenes Wesen ist wichtiger als sportliche Höchstleistungen.

2.3.3 Stabilität der Zielgruppen und Rahmenbedingungen

Die oben beschriebenen grundlegenden Haltertypen sind sehr stabil, da sie auf fundamentalen menschlichen Bedürfnissen basieren. Das Bedürfnis nach emotionaler Bindung, nach gemeinsamer Aktivität oder nach sozialen Kontakten wird es immer geben. Auch die verschiedenen Lebenssituationen – ob Single, Familie oder Ruheständler – werden weiterhin existieren. Wenn man jedoch speziellere Zielgruppen betrachtet, dann könnte die Stabilität nicht mehr gegeben sein. Oft können Modetrends die Stabilität von Zielgruppen beeinflussen. Während die grundlegenden Haltertypen bestehen bleiben, können sich ihre Präferenzen für bestimmte Rassen ändern. Dies ist besonders relevant für Rassen, die stark von der „Lifestyle-orientierten“ Gruppe abhängig sind.

Besonders problematisch kann es werden, wenn sich die Rahmenbedingungen unerwartet ändern. Verschiedene Faktoren können die Stabilität der Rahmenbedingungen beeinträchtigen. Besonders relevant sind gesetzliche Änderungen. Verschärfungen im Tierschutzgesetz können bestimmte Zuchtrichtungen unmöglich machen. Dann bleiben zwar die Zielgruppen bestehen, aber sie müssen sich mit weniger angepassten Rassen zufrieden geben oder die Hundehaltung aufgeben.

Auch neue Auflagen in der Hundehaltung, etwa verschärfte Regeln für bestimmte Rassen oder erweiterte Sachkundenachweise, können die Attraktivität einer Rasse für bestimmte Haltergruppen stark reduzieren.

Gesellschaftliche Entwicklungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Der Trend zur Urbanisierung stellt neue Anforderungen an Hunde. Die zunehmende Berufstätigkeit beider Partner in Familien verändert die verfügbare Zeit für Hundehaltung. Auch das wachsende Bewusstsein für Tierschutz und Tiergesundheit beeinflusst die Ansprüche der Halter an ihre Hunde.

Die wirtschaftliche Entwicklung kann sich ebenfalls auf Zielgruppen auswirken. Steigende Kosten für Hundehaltung – sei es durch höhere Tierarztkosten, Versicherungspflichten oder Hundesteuer – können bestimmte Haltergruppen ausschließen. Dies gilt besonders für Rassen mit bekannten Gesundheitsproblemen.

2.3.4 Größe der Zielgruppen

Für das Überleben einer Rasse ist entscheidend, dass ihre Zielgruppen zusammen groß genug sind. Dabei geht es nicht nur um die absolute Größe der potenziellen Haltergruppen, sondern auch um den Anteil, der sich tatsächlich für diese spezielle Rasse entscheidet.

Die Größe der grundlegenden Haltertypen ist meist kein Problem. Es gibt genügend Menschen, die einen Hund als emotionalen Begleiter suchen oder die mit einem Hund aktiv sein möchten. Die entscheidende Frage ist vielmehr: Wie viele dieser Menschen kommen als Halter für diese spezielle Rasse in Frage?

Dabei müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Zunächst muss die Rasse die spezifischen Anforderungen der Zielgruppe erfüllen können. Ein Beispiel: Viele „Aktiv-Sportliche“ suchen einen Begleithund – aber nicht jede Begleithundrasse ist für sportliche Aktivitäten geeignet.

Auch die Konkurrenz durch andere Rassen spielt eine wichtige Rolle. Eine Rasse muss nicht perfekt sein, aber sie muss für ihre Zielgruppe attraktiver sein als die Alternativen. Dies kann durch besondere Eigenschaften erreicht werden, die sie von anderen Rassen abheben.

Die erreichbare Populationsgröße muss ausreichen, um eine gesunde Zucht zu ermöglichen. Dafür braucht es:

  • Genügend Zuchttiere für eine ausreichende genetische Vielfalt
  • Ausreichend Züchter, die sich dieser Rasse widmen
  • Genügend Kaufinteressenten für die gezüchteten Welpen
  • Eine gewisse Reserve für unvorhergesehene Entwicklungen

2.4 Zwischenfazit: Von der Theorie zur praktischen Zuchtzieldefinition

Die bisherige Analyse zeigt, wie eng die theoretischen Konzepte der Bewertungsfunktion mit den praktischen Erkenntnissen über Besitzerprofile und Zielgruppen zusammenhängen.

Die Bewertungsfunktion $TM_p(y)$ beschreibt mathematisch, wie ein Besitzer mit Profil $p$ einen Hund mit Eigenschaften $y$ bewertet. Diese abstrakte Funktion wird konkret durch:

  • Den monetären Profit $φ_r(y)$, der die realen Kosten der Hundehaltung unter den gegebenen Rahmenbedingungen $r$ erfasst
  • Die nicht-monetären Belohnungen $R_p(y)$, die messen, wie gut der Hund die spezifischen Bedürfnisse seines Besitzers erfüllt
  • Die nicht-monetären Kosten $C_p(y)$, die den subjektiv empfundenen Aufwand und die Belastungen durch die Hundehaltung beschreiben

Die Analyse der Besitzerprofile hat gezeigt, dass Menschen sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben – vom „Kindersatz-Typ“ bis zum „Aktiv-Sportlichen“. Diese Unterschiede spiegeln sich direkt in den Parametern der Bewertungsfunktion wider:

  • Unterschiedliche Gewichtungen $λ_p$ der nicht-monetären Aspekte
  • Verschiedene Optimalwerte für die einzelnen Merkmale
  • Unterschiedliche Toleranzen gegenüber Abweichungen vom Optimum

Die Zielgruppenanalyse führt diese Erkenntnisse zusammen. Sie identifiziert Gruppen von Besitzern:

  • Die ähnliche Parameter in ihrer Bewertungsfunktion haben
  • Die zusammen eine ausreichend große und stabile Nachfrage bilden
  • Deren Anforderungen züchterisch erfüllbar sind

Diese Verbindung von theoretischem Modell und praktischer Analyse bildet die Grundlage für die konkrete Definition von Zuchtzielen im nächsten Kapitel. Sie ermöglicht es:

  • Die richtigen Zielgruppen für eine Rasse zu wählen
  • Deren Anforderungen präzise zu erfassen
  • Daraus konkrete und erreichbare Zuchtziele abzuleiten

3. Formulierung des Zuchtziels

Ein Zuchtziel muss die Wünsche der zukünftigen Besitzer mit den züchterischen Möglichkeiten und den Anforderungen an Gesundheit und Vitalität in Einklang bringen. Dieser Abschnitt zeigt, wie dies systematisch erreicht werden kann.

Der vorgestellte Ansatz ist zweistufig: Das Gesamtzuchtziel beschreibt den langfristig angestrebten Idealzustand der Rasse. Die temporären Zuchtziele definieren, was in einem bestimmten Planungszeitraum erreicht werden soll. Die Methoden zur Definition beider Arten von Zuchtzielen werden ausführlich erläutert.

3.1 Das Problem der Zuchtzieloptimierung

Ein Zuchtziel ist nur dann sinnvoll, wenn es den Anpassungsgrad der Rasse erhöht – wenn also die Hunde im Durchschnitt besser zu den Anforderungen ihrer Besitzer passen. Die Optimierung des Zuchtziels bedeutet daher, den Anpassungsgrad einer Rasse an ihre zukünftige Nische zu maximieren.

Mathematisch ausgedrückt: Wir suchen ein Zuchtziel $μ$, das den Anpassungsgrad $a(μ,P)$ der Rasse an ihre zukünftige Nische $P$ maximiert. Die Nische ist dabei definiert durch die Profile ihrer zukünftigen Besitzer. Dabei muss $μ$ im Suchraum $S$ der erreichbaren Zuchtziele liegen und die Nische $P$ muss groß genug sein, um das langfristige Überleben der Rasse zu sichern.

Der Planungshorizont spielt bei dieser Optimierung eine wichtige Rolle. Je länger der betrachtete Zeitraum, desto größer sind die züchterischen Möglichkeiten. Gleichzeitig wird es aber auch schwieriger, die zukünftigen Anforderungen an die Rasse vorherzusagen. Ein Planungshorizont von 15-20 Jahren hat sich als praktikabel erwiesen. Dies entspricht etwa 3-4 Generationen und ermöglicht bereits deutliche Verbesserungen, ist aber noch einigermaßen überschaubar.

Die Populationsgröße muss bei der Optimierung besonders berücksichtigt werden. Ein Zuchtziel ist nur dann valide, wenn genügend Menschen die Rasse für den angestrebten Zweck nutzen wollen. Diese Bedingung schränkt den Suchraum zusätzlich ein. Die minimal erforderliche Populationsgröße hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Die genetische Vielfalt muss erhalten bleiben
  • Es müssen genügend Züchter für die Rasse gewonnen werden
  • Die Nachfrage nach Welpen muss die Zuchtkosten decken
  • Eine gewisse Reserve für unvorhergesehene Entwicklungen ist nötig

3.2 Die zukünftige Nische der Rasse

Ein valides Zuchtziel muss die Anpassung der Rasse an eine stabile, ausreichend große Nische verbessern. Die Definition dieser zukünftigen Nische ist daher der erste Schritt bei der Zuchtzieldefinition.

3.2.1 Analyse der aktuellen Nische

Die aktuelle Nische einer Rasse wird durch die Profile ihrer typischen, zufriedenen Besitzer definiert. Die Analyse sollte sich auf diese zufriedenen Halter konzentrieren, da sie zeigen, für welche Menschen die Rasse aktuell wirklich geeignet ist. Um die Nische zu analysieren, müssen wir verstehen:

  • Welche Menschen sind langfristig zufrieden mit der Rasse?
  • Welche Bedürfnisse können durch die Rasse besonders gut erfüllt werden?
  • Unter welchen Rahmenbedingungen gelingt die Haltung besonders gut?

Dies erfordert systematische Befragungen von Menschen, die ihre Hunde schon länger erfolgreich halten. Besonders aufschlussreich sind dabei langjährige Halter, die sich bewusst wieder für dieselbe Rasse entscheiden würden.

Auch die Konkurrenz durch andere Rassen muss berücksichtigt werden. Welche Rassen konkurrieren um dieselben Besitzergruppen? Wo hat unsere Rasse relative Vorteile, wo Nachteile? Dies hilft einzuschätzen, welche Bereiche der Nische die Rasse dauerhaft besetzen kann.

3.2.2 Definition der angestrebten Nische

Die angestrebte Nische einer Rasse muss nicht identisch mit ihrer aktuellen Nische sein. Oft ist es sinnvoll, die Nische gezielt zu verändern – etwa wenn die aktuelle Nische schrumpft oder wenn bestimmte Haltergruppen mit der Rasse überfordert sind.

Die Definition der angestrebten Nische beginnt mit der Wahl einer Hauptzielgruppe. Diese sollte:

  • Groß genug sein, um die Rasse zu tragen
  • Langfristig stabile Bedürfnisse haben
  • Anforderungen stellen, die die Rasse erfüllen kann

Die wichtigste Frage ist: Wird die angestrebte Nische groß genug und stabil genug sein, um das langfristige Überleben der Rasse zu sichern?

Die Stabilität der Nische hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Gesellschaftliche Entwicklungen wie Urbanisierung oder veränderte Arbeitszeiten
  • Rechtliche Änderungen wie neue Auflagen für die Hundehaltung
  • Wirtschaftliche Entwicklungen wie steigende Kosten für Hundehaltung
  • Entwicklungen bei konkurrierenden Rassen

Die erforderliche Mindestgröße der Nische lässt sich aus der minimal notwendigen Populationsgröße ableiten. Diese muss ausreichen für:

  • Eine gesunde genetische Vielfalt (effektive Populationsgröße >100)
  • Genügend aktive Züchter (mindestens 30 Züchter werden benötigt, wenn jeder einen eigenen Deckrüden hält)
  • Ausreichende Nachfrage nach Welpen
  • Eine Reserve für unvorhergesehene Entwicklungen

Die angestrebte Nische sollte deutlich größer sein als diese Mindestgröße. Nur so kann die Rasse auch zeitweise Rückschläge verkraften. Die Definition der angestrebten Nische bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte der Zuchtzieldefinition. Nur wenn wir genau wissen, für welche Menschen wir züchten, können wir die richtigen Zuchtziele setzen.

3.3 Das langfristige Zuchtziel

Das langfristige Zuchtziel beschreibt den idealen Zustand, den die Rasse langfristig erreichen soll. Es dient als Orientierung für die züchterische Arbeit und muss so definiert werden, dass es die Anpassung der Rasse an ihre angestrebte Nische optimal unterstützt.

3.3.1 Relevante Merkmalskomplexe

Für die Definition des Zuchtziels müssen alle Merkmale berücksichtigt werden, die für die Eignung der Rasse in ihrer Nische relevant sind. Diese lassen sich in vier grundlegende Komplexe einteilen.

Aussehen und Körperbau bestimmen den ersten Eindruck und die grundsätzliche Eignung für bestimmte Verwendungen. Dazu gehören neben der Größe und den Proportionen auch der Bewegungsablauf, das Fell und die Kopfform. Diese Merkmale haben oft eine hohe emotionale Bedeutung für die Besitzer und prägen die Identität der Rasse.

Wesen und Verhalten sind entscheidend für den Alltag mit dem Hund. Ein ausgeglichenes Wesen, angemessenes Sozialverhalten und eine gute Führigkeit bestimmen maßgeblich die Zufriedenheit der Besitzer. Auch das Aktivitätsniveau muss zu den Bedürfnissen der Zielgruppe passen.

Gesundheit und Vitalität sind grundlegend für ein langes, beschwerdefreies Hundeleben. Eine robuste Konstitution und die Vermeidung rassetypischer Gesundheitsrisiken sind nicht nur aus Tierschutzsicht wichtig, sondern auch für die langfristige Akzeptanz der Rasse.

Funktionale Merkmale sind all jene Eigenschaften, die die Haltungs- und insbesondere die Zuchtkosten beeinflussen. Eine gute Fruchtbarkeit, ausgeprägte Muttereigenschaften, ausreichende Milchleistung und ein problemloses Deckverhalten sind für die wirtschaftliche Zucht unerlässlich. Auch ein umgängliches Wesen, das keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen bei der Haltung erfordert, kann dazugezählt werden.

3.3.2 Definition der Optimalwerte

Die Optimalwerte für die verschiedenen Merkmale müssen systematisch aus den Anforderungen der Zielgruppen abgeleitet werden. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Besitzer durchaus unterschiedliche Optimalwerte haben können. So bevorzugen manche Menschen besonders aktive Hunde, während andere einen ruhigeren Begleiter suchen. Das Zuchtziel muss diese unterschiedlichen Präferenzen innerhalb der Zielgruppe berücksichtigen.

Die Definition der Optimalwerte erfolgt am besten durch Discrete Choice Experimente. Bei Konformationsmerkmalen bieten sich visuelle Discrete Choice Experimente an. Dabei werden den potenziellen Besitzern systematisch variierte Bilder von Hunden zur Auswahl vorgelegt. Um die Präferenzen für die Kopfform zu ermitteln, könnten computergenerierte Hundebilder verwendet werden, die sich ausschließlich in den relevanten Kopfmerkmalen unterscheiden. Aus den Wahlentscheidungen der Teilnehmer lässt sich dann ableiten, welche Ausprägungen der einzelnen Merkmale bevorzugt werden. Für Verhaltensmerkmale sind dagegen Videosequenzen oder verbale Verhaltensbeschreibungen als Entscheidungsgrundlage besser geeignet. Solche Experimente sollten mit einer repräsentativen Stichprobe der angestrebten Zielgruppe durchgeführt werden.

Bei der Definition der Optimalwerte müssen auch gesundheitliche Grenzen berücksichtigt werden. Viele erwünschte Merkmale sind mit gesundheitlichen Risiken verbunden, wenn sie zu extrem ausgeprägt sind. Ein Beispiel ist die Kopfform: Ein sehr kurzer Gesichtsschädel mag von manchen Besitzern gewünscht sein, kann aber zu Atemproblemen führen. Dies bedeutet nicht, dass ein kurzer Gesichtsschädel unbedingt zu vermeiden ist, sondern dass die Gesundheitsmerkmale, die betroffen sein könnten, miterfasst werden müssen. Nur so kann gleichzeitig auf das gewünschte Aussehen und auf Gesundheit gezüchtet werden.

3.3.3 Dokumentation des Zuchtziels

Das langfristige Zuchtziel muss so dokumentiert werden, dass es eindeutig und nachvollziehbar ist. Für die verschiedenen Merkmalskomplexe sind unterschiedliche Dokumentationsformen geeignet.

Die Konformation wird am besten durch eine dreidimensionale Skulptur definiert. Diese zeigt eindeutig die gewünschten Proportionen und Körperformen. Aus der Skulptur können objektive Maße abgeleitet werden, die dann als Referenz für die Beurteilung der Hunde dienen. Dies ist deutlich präziser als verbale Beschreibungen, die oft unterschiedlich interpretiert werden können.

Das gewünschte Verhalten wird in einem ethogrammartigen Dokument beschrieben. Dieses definiert für typische Situationen, wie sich ein idealer Vertreter der Rasse verhalten soll. Dabei wird nicht nur das gewünschte Verhalten beschrieben, sondern auch dessen Intensität und Dauer. Dies ermöglicht eine standardisierte Bewertung des Verhaltens.

Für Gesundheitsmerkmale wird als Ziel jeweils ein gesunder Hund angestrebt und auch für funktionale Merkmale werden Zielwerte definiert.

3.4 Das temporäre Zuchtziel

Ein temporäres Zuchtziel beschreibt, was in einem bestimmten Planungszeitraum erreicht werden soll. Es muss einerseits realistisch erreichbar sein, andererseits aber auch einen deutlichen Fortschritt in Richtung des langfristigen Zuchtziels ermöglichen.

Um Zuchtfortschritt zu erzielen ist es wichtig, die Hunde nach ihrem geschätzten Wert für die Zucht rangieren zu können. Dies wird in der Tierzucht mit einem Selektionsindex gemacht. Der Selektionsindex gewichtet die Zuchtwerte der Hunde in den verschiedenen Merkmalen und summiert sie zu einer einzigen Kennzahl auf. Tiere mit zu geringem Selektionsindex werden in der Regel von der Zucht ausgeschlossen. Dies ist in der Hundezucht zwar noch nicht sehr verbreitet, sollte aber gemacht werden, da diese Methode der Selektion nach unabhängigen Selektionsgrenzen überlegen ist. Da in der Hundezucht häufig keine Zuchtwerte berechnet werden, kann man alternativ die Merkmalsausprägungen der Hunde selbst gewichten und aufsummieren. Der Selektionsindex $I$ eines Hundes mit Merkmalsvektor $y$ berechnet sich dann als

\[I = b_1 y_1 + …. + b_M y_M,\]

wobei $y_m$ die Merkmalsausprägung des Hundes für Merkmal $m$ ist und das Gewicht $b_m$ die Wichtigkeit des Merkmals beschreibt. Der Vektor mit den Gewichten $b_1 ,…., b_M$ wird mit $b$ bezeichnet.

3.4.1 Der Suchraum für gültige Zuchtziele

Der Suchraum für temporäre Zuchtziele wird durch die genetischen Möglichkeiten begrenzt. Er wird durch ein Ellipsoid $E$ im Merkmalsraum begrenzt, dessen Zentrum der Vektor $μ$ mit den aktuellen Merkmalsmittelwerten ist. Die Form und Größe dieses Ellipsoids wird durch die genetischen Parameter bestimmt – die Heritabilitäten der Merkmale und ihre genetischen Korrelationen. Genauer gesagt wird der Suchraum in dem betrachteten Fall ohne Zuchtwertschätzung durch das Ellipsoid

\[E = \{ μ +N i G b:  b \in \mathbb{R}^M \>\mathrm{und}\>b^{\top}Pb=1\}\]

begrenzt. Dabei ist $N$ die Länge des Planungszeitraums in Generationen, $i$ ist die Selektionsintensität, $G$ ist die genetische Kovarianzmatrix und $P$ ist die phänotypische Kovarianzmatrix der erfassten Merkmale.

Gesundheitliche Anforderungen und praktische Aspekte schränken diesen grundsätzlich erreichbaren Bereich weiter ein. Merkmalskombinationen, die zu Gesundheitsproblemen führen würden oder die mit den verfügbaren Zuchttieren nicht erreicht werden können, müssen aus dem Suchraum ausgeschlossen werden.

3.4.2 Identifikation des temporären Zuchtziels

Um das optimale temporäre Zuchtziel zu finden, muss zunächst die Bewertungsfunktion $TM_p(y)$ geschätzt werden, die beschreibt, wie ein Besitzer mit Profil $p$ einen Hund mit Merkmalsvektor $y$ bewertet. Dies geschieht meist durch Discrete Choice Experimente. Aus dieser Bewertungsfunktion lässt sich die Anpassungsfunktion $a(μ,P)$ schätzen, die angibt, wie gut eine Rasse mit Merkmalsmittelwerten $μ$ zu ihrer angestrebten Nische $P$ passt.

Das temporäre Zuchtziel $\mathring{μ}$ ist dann der Punkt im Suchraum, der die geschätzte Anpassungsfunktion maximiert. Da der Suchraum durch ein Ellipsoid begrenzt wird, liegt $\mathring{μ}$ in der Regel auf diesem Ellipsoid – dort wo die Anpassungsfunktion ihr lokales Maximum erreicht.

3.4.3 Bestimmung der Indexgewichte

Um den optimalen Selektionsindex herzuleiten muss der Vektor $b$ mit den Indexgewichten berechnet werden. Die Gewichte können mit dem „desired gain“ Ansatz von Yamada et al. (1975) berechnet werden. Der Ansatz ist besonders für Begleithundrassen geeignet, da er keine wirtschaftlichen Gewichte erfordert, sondern direkt von den erwünschten Zuchtfortschritten in den verschiedenen Merkmalen ausgeht.

Der Vektor der gewünschten Verbesserungen $Δμ$ ergibt sich als Differenz zwischen dem temporären Zuchtziel $\mathring{μ}$ und den aktuellen Merkmalsmittelwerten $μ$:

\[Δμ = \mathring{μ} – μ\]

In unserem Beispiel ohne Zuchtwertschätzung geht nur der Vektor $y$ mit den Phänotypwerten des jeweiligen Hundes in den Selektionsindex eingeht. In diesem Fall ist die Formel zur Berechnung von $b$ besonders einfach. Es gilt:

\[b = \frac{1}{N i} G^{-1}Δμ.\]

Der daraus resultierende Selektionsindex $I$ kombiniert die verfügbaren Informationen so, dass die erwarteten Merkmalstrends optimal in Richtung des temporären Zuchtziels verlaufen. Dabei werden im allgemeinen Fall mit Zuchtwertschätzung sowohl die genetischen Korrelationen zwischen den Merkmalen als auch die Genauigkeit der verschiedenen Informationsquellen berücksichtigt. Diese Methode stellt sicher, dass unwichtige Merkmale zunächst weitgehend ignoriert werden und die wichtigen Merkmale priorisiert werden.

3.5 Überprüfung und Anpassung

Ein Zuchtprogramm muss regelmäßig überprüft und wenn nötig angepasst werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gesetzten Ziele tatsächlich erreicht werden und die Zucht den sich ändernden Anforderungen gerecht wird.

3.5.1 Erfolgskontrolle

Die Erfolgskontrolle muss verschiedene Aspekte berücksichtigen. Zentral ist das Monitoring der Merkmalsentwicklung. Dabei wird überprüft, ob sich die Merkmale wie gewünscht in Richtung des temporären Zuchtziels entwickeln. Besonders wichtig ist die Kontrolle der Gesundheitsmerkmale – auch wenn sie nicht direkt im Fokus der Selektion stehen.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Zufriedenheit der Besitzer. Diese sollte durch regelmäßige Befragungen erfasst werden. Dabei ist besonders auf Besitzer zu achten, die ihre Hunde schon länger halten. Sie können am besten beurteilen, ob die Rasse ihren Anforderungen gerecht wird.

Auch die Populationsentwicklung muss sorgfältig beobachtet werden. Eine stabile oder wachsende Population ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Rasse ihre Nische gut ausfüllt. Dabei sollten nicht nur die absoluten Zahlen, sondern auch die genetische Vielfalt im Auge behalten werden.

3.5.2 Anpassung der Zuchtstrategie

Wenn die Erfolgskontrolle Abweichungen vom gewünschten Entwicklungspfad zeigt, muss die Zuchtstrategie angepasst werden. Dies kann die Gewichtungen im Selektionsindex betreffen, aber auch grundsätzlichere Aspekte des Zuchtprogramms.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa über genetische Zusammenhänge zwischen Merkmalen oder über gesundheitliche Risiken, müssen zeitnah in die Zuchtstrategie eingearbeitet werden. Auch verbesserte Methoden zur Merkmalserfassung sollten genutzt werden, sobald sie verfügbar sind.

Die größten Anpassungen sind meist durch veränderte Rahmenbedingungen nötig. Gesellschaftliche Entwicklungen, neue gesetzliche Anforderungen oder veränderte Haltungsbedingungen können erhebliche Auswirkungen auf die Anforderungen an die Rasse haben.

3.5.3 Kommunikation

Der Erfolg eines Zuchtprogramms hängt wesentlich von der Akzeptanz durch die Züchter ab. Diese müssen regelmäßig über die Entwicklung der Rasse, neue Erkenntnisse und eventuelle Anpassungen der Zuchtstrategie informiert werden. Besonders wichtig ist es, Änderungen gut zu begründen und den Nutzen für die Rasse aufzuzeigen.

Auch die Besitzer – aktuelle wie potenzielle – müssen angemessen informiert werden. Sie sollten verstehen, welche Ziele mit der Zucht verfolgt werden und wie diese zur Verbesserung der Rasse beitragen. Eine offene Kommunikation über die Ziele des Zuchtprogramms schafft Vertrauen und Nachfrage.

Die Öffentlichkeitsarbeit sollte sich aber nicht auf die unmittelbar Beteiligten beschränken. Eine positive Wahrnehmung der Rassehundezucht in der breiten Öffentlichkeit ist wichtig für die langfristige Akzeptanz der Rasse. Dies erfordert eine proaktive und transparente Kommunikation, die zeigt, wie verantwortungsvolle Rassehundezucht zum Tierwohl beiträgt.

4. Zusammenfassung

Die wissenschaftsbasierte Definition von Zuchtzielen für Begleithunde unterscheidet sich fundamental vom traditionellen Ansatz. Statt sich an historischen Verwendungszwecken oder persönlichen Vorlieben von Experten zu orientieren, steht die Anpassung der Rasse an die Bedürfnisse ihrer zukünftigen Besitzer im Mittelpunkt.

Die theoretische Basis dafür liefert das Konzept der ökologischen Nische, übertragen auf Hunderassen. Die „Nische“ einer Rasse wird dabei durch die Menschen definiert, die diese Rasse halten. Die Social Exchange Theorie hilft zu verstehen, unter welchen Bedingungen Menschen mit ihren Hunden zufrieden sind.

Der Anpassungsgrad einer Rasse misst, wie gut sie die Bedürfnisse ihrer typischen Besitzer erfüllt. Dabei kommt es nicht auf einzelne Spitzentiere an, sondern darauf, dass die Rasse im Durchschnitt die Erwartungen ihrer Zielgruppen erfüllt. Dies erfordert die systematische Analyse verschiedener Besitzertypen und ihrer spezifischen Anforderungen.

In der modernen Gesellschaft haben sich verschiedene charakteristische Haltertypen herausgebildet – vom „Kindersatz-Typ“ über den „Aktiv-Sportlichen“ bis zum „Ruheständler“. Diese Grundtypen sind sehr stabil, da sie auf fundamentalen menschlichen Bedürfnissen basieren. Eine Rasse sollte sich auf kompatible Zielgruppen konzentrieren, die zusammen eine ausreichend große Nachfrage generieren.

Die Definition valider Zuchtziele erfolgt in zwei Stufen: Das Gesamtzuchtziel beschreibt den langfristig angestrebten Idealzustand der Rasse. Die temporären Zuchtziele definieren, was in einem bestimmten Planungszeitraum erreicht werden soll. Dabei müssen die Wünsche der Zielgruppen mit gesundheitlichen Anforderungen in Einklang gebracht werden.

Ein modernes Zuchtprogramm muss beide Aspekte berücksichtigen – die gewünschten Merkmale und die damit möglicherweise assoziierten Gesundheitsaspekte. Die Erfahrung zeigt: Die von den Zielgruppen gewünschten Merkmale sind meist züchterisch erreichbar, wenn parallel auf funktionale Merkmale und Gesundheit selektiert wird.

Die wissenschaftsbasierte Zuchtzieldefinition ermöglicht es, Hunde zu züchten, die:

  • Die Bedürfnisse ihrer Besitzer optimal erfüllen
  • Gesund und vital sind
  • Eine stabile Population bilden können

Dies sichert nicht nur die Zufriedenheit der Hundebesitzer, sondern auch das langfristige Überleben der Rassen in unserer sich wandelnden Gesellschaft.

5. Quellen und weiterführende Literatur

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