Abstract
Die novellierte Tierschutz-Hundeverordnung trat am 1. Januar 2022 in Kraft, doch eine systematische Analyse offenbart gravierende formale und inhaltliche Mängel. Zentrale Begriffe bleiben undefiniert, was zu Rechtsunsicherheit führt. Die Verordnung ignoriert biologische Grundlagen, indem sie einen 16 Zentimeter großen Chihuahua wie einen 49 Zentimeter großen Australian Shepherd behandelt und keine Differenzierung nach Wurfgrößen vornimmt. Der wissenschaftlich unbegründete Betreuungsschlüssel von maximal fünf Hunden pro Person zwingt Züchter zu ineffizienten Beschäftigungsmodellen mit Minijobbern statt qualifizierten Vollzeitkräften. Das Ausstellungsverbot für Hunde mit Erbfehlern verhindert die für moderne Zuchtprogramme notwendige Datenerfassung. Besonders betroffen sind Züchter kleiner Rassen, die durch höhere Platz- und Personalanforderungen pro Welpe systematisch benachteiligt werden. Dies fördert den Schwarzmarkt und gefährdet die genetische Vielfalt, da viele Rassen unwirtschaftlich werden. Die Lösung liegt in einer grundlegenden Reform: Klare Definitionen, biologisch fundierte Standards mit kontinuierlicher Größenberücksichtigung, ergebnisorientierte statt prozessorientierter Vorgaben, Differenzierung der Anforderungen nach Aktivitäts- und Ruhezeiten, Förderung innovativer Haltungsformen und wissenschaftlicher Zuchtmethoden. Nur so kann die Verordnung ihrem Anspruch gerecht werden.
1. Einleitung
Am 1. Januar 2022 trat sie in Kraft – die novellierte Tierschutz-Hundeverordnung, die nichts weniger versprach als eine grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Hunde in Deutschland. Knapp drei Jahre später zeigt die Praxis: Verantwortungsbewusste Züchter stehen vor dem Aus, während der Schwarzmarkt floriert.
Ein renommierter Golden Retriever-Züchter aus Bayern, dessen moderne Anlage als vorbildlich gilt, muss seine bewährte Vollzeitkraft durch vier Minijobber ersetzen – nur um eine willkürlich festgelegte Personenzahl zu erfüllen. Eine Züchterin seltener Zwergspaniel-Rassen gibt auf, weil ihre kleinen Würfe wirtschaftlich nicht mehr tragbar sind. Ein innovativer Hundehalter, dessen Tiere tagsüber in naturnahen Außenbereichen leben und nachts in beheizten Räumen schlafen, findet sein durchdachtes System in keiner Kategorie der Verordnung wieder.
Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern symptomatisch für eine Verordnung, die ihre eigenen Ziele konterkariert. Die folgende Analyse legt systematisch die Konstruktionsfehler der Verordnung offen – von handwerklichen Fehlern über biologische Ignoranz bis zu ökonomischer Blindheit. Vor allem aber zeigt sie konkrete Wege auf, wie eine wissenschaftlich fundierte, praxistaugliche Regulierung aussehen könnte. Denn das Ziel teilen alle Beteiligten: gesunde, wesensstarke Hunde und eine verantwortungsvolle Zucht, die dies ermöglicht.
2. Fundamentale Konstruktionsfehler – Starre Kategorien und unklare Begriffe
2.1 Formale Mängel – Rechtsunsicherheit durch fehlende Definitionen
Eine Rechtsverordnung muss vor allem eines sein: klar, verständlich und eindeutig. Bürger und Züchter, die sich an das Gesetz halten wollen, müssen zweifelsfrei verstehen können, was von ihnen verlangt wird. Die Tierschutz-Hundeverordnung scheitert bereits an dieser grundlegenden Anforderung. Sie ist durchzogen von unbestimmten Rechtsbegriffen, unnötigen Verweisen und einer unlogischen Struktur. Diese formalen Mängel sind keine redaktionellen Schönheitsfehler, sondern die Ursache für erhebliche Rechtsunsicherheit und eine bundesweit uneinheitliche Auslegung durch die Veterinärämter.
Die Verordnung verwendet zentrale Begriffe, ohne sie zu definieren. So wird der Begriff „züchten“ durchgängig verwendet, aber an keiner Stelle erklärt. Dies führt zur problematischen Gleichsetzung von „züchten“ im wissenschaftlichen Sinne – also der gezielten Selektion zur Verbesserung von Eigenschaften – mit der reinen Vermehrung von Hunden. Eine sinnvoller Verordnungstext würde nicht den Begriff „züchten“ verwenden, wenn er „vermehren“ meint, oder er würde klarstellen, dass mit dem Begriff „züchten“ jede Art der Vermehrung gemeint ist.
Noch gravierender ist die fehlende Definition des Begriffes „Zuchthund“. In der Praxis legen viele Behörden den Begriff so aus, dass jeder unkastrierte, geschlechtsreife Hund als Zuchthund gilt. Für verantwortungsbewusste Züchter hat dies absurde Konsequenzen: Wer aus einem Wurf zwei vielversprechende Welpen zur späteren Auswahl für die Weiterzucht behält, hält nach dieser Lesart plötzlich zwei „Zuchthunde“, auch wenn er nur einen für die Zucht verwendet. Auch ein 14-jähriger Hundesenior, der längst aus der Zucht ausgeschieden ist, zählt weiterhin als „Zuchthund“, solange er nicht kastriert wurde. Ebenso unklar ist die Definition der „Betreuungsperson“. Die Verordnung beschreibt sie als „Person, die den Hund hält, betreut oder zu betreuen hat“ (§ 2 Absatz 1). Diese Definition ist so allgemein, dass sie wertlos ist und nicht zwischen hochqualifizierten Tätigkeiten wie der Geburtshilfe und einfachen Hilfsarbeiten wie der Reinigung unterschieden wird (§ 3 Absatz 5).
Selbst wer versucht, den Text im Detail zu verstehen, wird durch dessen Aufbau behindert. Eine der umstrittensten und für Züchter relevantesten Regelungen – die Pflicht zu vier Stunden täglichem Umgang mit Welpen – ist nicht etwa im § 3 zu finden, der die Zucht regelt, sondern versteckt sich in einem Nebensatz des allgemeinen § 2. Solche handwerklichen Fehler zeugen von mangelnder Sorgfalt und erschweren eine thematisch orientierte Auseinandersetzung mit den Anforderungen erheblich. Eine nutzerfreundliche Verordnung würde Anforderungen klar und direkt formulieren und thematisch sinnvoll gliedern, anstatt ihre Leser auf eine juristische Schnitzeljagd zu schicken.
2.2 Veraltete Haltungskategorien statt funktionaler Bereiche
Eine der fundamentalsten Schwächen der Tierschutz-Hundeverordnung liegt in ihrer starren und überholten Grundstruktur. Sie gliedert die Haltungsanforderungen in die drei Kategorien „Haltung im Freien“ (§ 4), „Haltung in Räumen“ (§ 5) und „Zwingerhaltung“ (§ 6). Diese Einteilung, die aus einer Zeit stammt, als Hunde entweder im Haus, im Zwinger oder angekettet lebten, wird der heutigen Realität moderner, flexibler Haltungssysteme nicht mehr gerecht.
Das Problem dieser starren Kategorien ist nicht nur theoretischer Natur, sondern schafft erhebliche Rechtsunsicherheit für Halter und Züchter. Ein Züchter, dessen Hunde tagsüber Zugang zu naturnahen, großzügigen Außenflächen haben und nachts in beheizten Innenräumen schlafen, findet sein artgerechtes System in keiner dieser Schubladen wieder. Wo ordnet die Verordnung dieses System ein? Als Zwingerhaltung, weil die Außenbereiche umzäunt sind? Dann müssten auch die Innenräume Zwingergröße haben. Als Haltung in Räumen? Dann bräuchten die Räume die vorgeschriebene Fensterfläche, obwohl die Hunde den Großteil des Tages draußen sind. Als Haltung im Freien? Dann müssten ständig Schutzhütten zur Verfügung stehen, obwohl die Hunde bei Bedarf Zugang zu beheizten Räumen haben. Muss er die Anforderungen aller Kategorien gleichzeitig erfüllen, wie es manche Veterinärämter verlangen? Die aktuelle Gesetzeslage bestraft somit innovative und tiergerechte Konzepte, anstatt sie zu fördern.
Die Lösung liegt in einem Paradigmenwechsel: weg von starren Haltungsformen, hin zu einer an den Bedürfnissen des Hundes orientierten, funktionalen Betrachtung. Eine wissenschaftlich fundierte Verordnung würde den Ort basierend auf dessen Funktion reglementieren. Sie würde unterscheiden zwischen:
- Einem Ruhebereich, der Hunden für ihre Schlaf- und Ruhephasen (ca. 17-18 Stunden täglich bei erwachsenen Tieren) einen geschützten, trockenen und warmen Rückzugsort bietet.
- Einem Aktivitätsbereich, der in den Wachphasen ausreichend Platz, Umweltreize und Sozialkontakte für Bewegung und Spiel ermöglicht.
- Einem Beschäftigungsbereich, der für gezieltes Training, Auslauf oder andere intensive Aktivitäten außerhalb des regulären Aktivitätsbereiches dient.
Ein solches System wäre flexibel, biologisch sinnvoll und würde Innovationen fördern, statt sie zu behindern. Ein kleiner, gemütlicher Ruhebereich für die Nacht, kombiniert mit einem gut strukturierten Aktivitätsbereich für den Tag und ein mehrmals wöchentliches Aufsuchen des Beschäftigungsbereiches, wäre eine tiergerechte und gesetzeskonforme Lösung. Der Fokus würde endlich von starren Kategorievorgaben auf die Qualität der Haltung gelenkt. Der ideologisch aufgeladene und schlecht definierte Begriff „Zwinger“ könnte entfallen, da jede Haltungseinrichtung nach denselben funktionalen Kriterien für Ruhe und Aktivität bewertet würde. Dies würde nicht nur für Rechtsklarheit sorgen, sondern wäre ein echter Fortschritt für das Tierwohl.
3. Biologische Ignoranz – Wenn Gesetze die Vielfalt der Hunde missachten
Eine wirksame Tierschutzverordnung muss auf solidem Wissen über die Biologie und die Bedürfnisse der zu schützenden Tiere basieren. Die aktuelle Hundeverordnung ignoriert jedoch fundamentale Erkenntnisse der Verhaltensbiologie und Genetik. Sie behandelt nahezu alle Hunde gleich, unabhängig von ihrer Größe, ihrer Rasse oder ihrer Lebensphase. Diese Herangehensweise führt nicht nur zu praxisfernen Regelungen, sondern kann dem Tierwohl sogar aktiv schaden.
3.1 Größenblindheit: Warum ein Chihuahua nicht wie ein Australian Shepherd behandelt werden darf
Die Verordnung kennt nur drei grobe Größenklassen für Hunde: bis 50 cm, 50 bis 65 cm und über 65 cm Widerristhöhe (§ 6 Abs. 2). Diese Einteilung ignoriert die enorme Größenvielfalt bei Hunden, deren Körpergewicht vom 1,5 kg schweren Chihuahua bis zum 90 kg schweren Mastiff um den Faktor 60 variiert. Die Konsequenz dieser Gleichmacherei ist, dass ein 16 cm kleiner Chihuahua in dieselbe Kategorie fällt wie ein 49 cm großer Australian Shepherd. Laut Verordnung haben beide denselben Platzbedarf, obwohl der Australian Shepherd das zehnfache Körpergewicht hat. Für den Chihuahua ist die vorgeschriebene Mindestfläche somit überdimensioniert, was unnötige Kosten verursacht, während sie für den größeren Hund an der unteren Grenze des Vertretbaren liegen könnte.
Eine wissenschaftlich fundierte Regelung würde die Körpergröße kontinuierlich berücksichtigen, statt auf willkürliche Stufen zu setzen. Die Mindestflächen für Ruhe-, Aktivitäts- und Beschäftigungsbereiche ließen sich biologisch sinnvoll über Formeln berechnen, die einen Basiswert mit einem größenabhängigen Zuschlag kombinieren, der proportional zum Quadrat der Rumpflänge ist.
3.2 Ignorierte Wurfgrößen: Die systematische Benachteiligung kleiner Rassen
Hunderassen unterscheiden sich drastisch in ihrer Fruchtbarkeit. Toy-Rassen werfen durchschnittlich zwei bis vier Welpen, große Rassen hingegen sechs bis zehn. Die Verordnung ignoriert diese biologische Realität vollständig. Die Anforderungen an den Platz für eine Hündin mit Welpen werden pauschal verdoppelt (§ 6 Abs. 2 Nr. 3), unabhängig davon, ob sie zwei oder zehn Welpen versorgt. Ebenso wird die Betreuungszeit pro Wurf vorgeschrieben, nicht pro Welpe.
Dies führt zu einer systematischen und durch nichts zu rechtfertigenden Diskriminierung von Züchtern kleiner Rassen. Um 20 Welpen pro Jahr aufzuziehen, benötigt ein Chihuahua-Züchter etwa sieben Würfe, ein Züchter von Australian Shepherds nur drei. Die absurde Konsequenz bei den Platzanforderungen: Um sechs Welpen aufzuziehen, muss der Chihuahua-Züchter für seine zwei Würfe 24 Quadratmeter Fläche nachweisen, während dem Züchter der größeren Rasse für die gleiche Welpenzahl aus einem Wurf 12 Quadratmeter genügen.
Die Lösung wäre auch hier einfach: Die Anforderungen müssen sich an der tatsächlichen Belastung orientieren. Die Betreuungszeit sollte proportional zur Welpenzahl festgelegt werden, und die Platzanforderungen müssen die Größe der Mutterhündin plus einen Zuschlag pro erwartetem Welpen einbeziehen. Die Formel könnte lauten: „Grundfläche für die Hündin“*(1+“durchschnittliche Wurfgröße“/5).
3.3 Fehlende Differenzierung nach Rassebedürfnissen
In über 15.000 Jahren Domestikation entstanden mehr als 400 Hunderassen mit höchst unterschiedlichen, selektierten Eigenschaften. Ein Husky ist für das Leben im Rudel gezüchtet, ein Border Collie für intensive Hütearbeit, ein Kangal für das selbstständige Bewachen. Die Verordnung ignoriert diese fundamentalen Unterschiede. Das beste Beispiel ist die pauschale Vier-Stunden-Betreuung für Welpen (§ 2 Abs. 1 Satz 2).
Ein Cavalier King Charles Spaniel wurde über Jahrhunderte darauf selektiert, engen Menschenkontakt zu mögen. Er kann mit wenig Aufwand sozialisiert werden. Ein Herdenschutzhund-Welpe dagegen soll später selbstständig arbeiten. Wird er zu sehr auf Menschen geprägt, kann er seine Aufgabe nicht erfüllen. Die intensive Betreuung schadet seiner Entwicklung. Macht man es dennoch um ihn später als Familienhund verkaufen zu können, bleibt der Erfolg trotz der intensiven Betreuung oft aus.
Eine moderne Verordnung würde Raum für rassespezifische Anpassungen lassen. So könnten Zuchtverbände für ihre Rassen fundierte Haltungsrichtlinien entwickeln, die von den Behörden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse genehmigt werden.
4. Der Betreuungsaufwand – Numerologie statt Wissenschaft
Kein anderer Aspekt der Tierschutz-Hundeverordnung zeigt die Praxisferne und den Mangel an wissenschaftlicher Fundierung so deutlich wie die starren Zahlenvorgaben zum Betreuungsaufwand. Anstatt sich am tatsächlichen Bedarf der Tiere und an realistischen Arbeitsabläufen zu orientieren, etabliert die Verordnung willkürliche numerische Grenzen, die in der Praxis zu absurden Situationen führen und dem Tierwohl mehr schaden als nutzen.
4.1 Der Betreuungsschlüssel für Zuchthunde: Die magische Zahl 5
Der folgenreichste Eingriff der Verordnung ist die in § 3 Abs. 5 festgelegte Begrenzung auf maximal fünf Zuchthunde pro Betreuungsperson. Für diese Zahl existiert keine einzige wissenschaftliche Studie, die ihre Notwendigkeit belegt. Sie wurde 2021 willkürlich von einem bereits unbegründeten Schlüssel von 1:10 halbiert, nicht aufgrund neuer kynologischer Erkenntnisse, sondern auf Druck von Interessenverbänden. Die Unverhältnismäßigkeit dieser Regelung wird im Vergleich deutlich: In der Altenpflege betreut eine Fachkraft zehn bis zwölf pflegebedürftige Menschen. In modernen Milchviehbetrieben versorgen zwei Vollzeitkräfte 100 Kühe inklusive Melken, Fütterung und Gesundheitsmanagement. Die Hundeverordnung suggeriert, ein Hund benötige mehr Betreuung als ein pflegebedürftiger Mensch – eine Annahme, die jeder Logik widerspricht. Dies erkannten wohl auch die Verantwortlichen. Sie forderten daher nicht, dass die Betreuungspersonen vollzeitbeschäftigt sein müssen.
Das Minijobber-Dilemma zerstört Qualität. Da die Verordnung Personen zählt statt Arbeitsstunden, entstehen absurde Beschäftigungsmodelle. Ein Züchter mit 25 Hunden benötigt in der Regel zwei Vollzeitkräfte für optimale Betreuung. Er kann jedoch nicht sich selbst und eine qualifizierte Vollzeitkraft als Betreuung angeben, sondern muss fünf Personen nachweisen. Da er keine fünf Vollzeitkräfte sinnvoll beschäftigen kann, bleibt nur die Minijob-Lösung. Das Ergebnis: Statt einer qualifizierten Fachkraft mit Ausbildung und Erfahrung rotieren vier geringfügig Beschäftigte durch den Betrieb. Die Nachteile sind gravierend: Minijobber auf 520-Euro-Basis finden sich für körperlich anstrengende Arbeit mit Wochenend- und Feiertagsdiensten kaum: viele leben lieber von Sozialleistungen. Die Fluktuation ist enorm. Jede Einarbeitung kostet Zeit und Geld. Die Hunde leiden unter ständig wechselnden Bezugspersonen – sie sind Gewohnheitstiere, die Kontinuität brauchen. Die Verwaltungskosten explodieren, die Betreuungsqualität sinkt.
Diskriminierung nach Familienstand. Die Regelung benachteiligt systematisch Alleinstehende. Ein verheirateter Züchter kann Familienmitglieder als Betreuungspersonen angeben, selbst wenn diese Vollzeit anderweitig arbeiten. Ein unverheirateter Züchter mit identischer Hundehaltung muss fremde Personen einstellen. Diese Ungleichbehandlung hat nichts mit Tierschutz zu tun, sondern bestraft Menschen für ihre Lebensform. Selbstverständlich muss jeder verantwortungsbewusste Züchter für Notfälle oder Abwesenheit ein Betreuungsnetzwerk vorweisen können. Eine flexible, anlassbezogene Anforderung wie „Die Betreuung muss im Krankheits- oder Abwesenheitsfall sichergestellt sein“ wäre sinnvoll und zielführend. Eine Regelung, die den Familienstand diskriminiert ist es jedoch nicht.
Genetischer Kollaps durch Rüdenreduktion. Züchter reagieren betriebswirtschaftlich rational: Sie halten vier Hündinnen und einen Rüden statt einer ausgewogenen Geschlechterverteilung. Die populationsgenetischen Folgen könnten dramatisch sein. Bei einer Reduktion von 25 auf 10 Deckrüden in einer Population mit 100 Hündinnen sinkt die effektive Populationsgröße von 80 auf 36 – ein Verlust von über 50 Prozent genetischer Vielfalt. Inzucht steigt, Erbkrankheiten nehmen zu. Man mag einwenden, es gäbe genug Leute, die einen Deckrüden besitzen, ohne selbst zu züchten. Das ist bei vielen Rassen jedoch nicht der Fall. Oft sind es nur diejenigen, denen man einen Rüden verkauft hat, der bereits eine Zuchtzulassung hatte.
Zuchtintensivierung schadet den Hündinnen. Wer seinen Bestand aufgrund des Betreuungsschlüssels von 8 auf 4 Zuchthündinnen reduzieren muss, steht vor der Wahl: Entweder er gibt wertvolle Zuchtlinien auf, oder er erhöht die Deckfrequenz seiner verbleibenden Hündinnen um sie nach 3 Würfen früher verkaufen zu können. Durch die Verringerung des Wurfintervalls von einem Jahr auf sechs Monate könnte er weiterhin acht Würfe im Jahr machen. Zwar verbieten seriöse Verbände wie der VDH das Belegen bei jeder Läufigkeit, doch nicht alle Züchter sind Verbandsmitglieder – und genau diese unkontrollierten Züchter werden durch die Verordnung indirekt gefördert. Die Hündinnen leiden darunter. Die Verordnung begünstigt genau die Praktiken, die sie verhindern sollte.
Aussterben seltener Rassen. Gefährdete Rassen mit kleinen Populationen sind durch die Fünfer-Regel jetzt noch stärker gefährdet. Ein Beispiel: Eine Rasse hat deutschlandweit nur 50 Zuchttiere. Ein Erhaltungszüchter hält zehn davon – fünf zu viel laut Verordnung. Wohin mit überzähligen Tieren bei nur 50 Tieren deutschlandweit? Kastration bedeutet unwiederbringlichen Genverlust. Die Alternative: Aufgabe der Erhaltungszucht.
Eine wissenschaftlich fundierte Regelung würde nicht die Anzahl der Zuchthunde beschränken, sondern sich nach nachweisbaren Qualitätskriterien richten: Gesundheitszustand, Pflegezustand, Sozialisierung, Sauberkeit der Anlage. Technische Hilfsmittel werden anerkannt, verschiedene Betriebsformen respektiert. So entstünde eine Regelung, die tatsächlich dem Tierwohl dient statt es zu gefährden.
4.2 Der Betreuungsumfang für Welpen: Die magische Zahl 4
Die Verordnung schreibt vor, dass Welpen bis zur 20. Woche täglich vier Stunden „Umgang“ mit einer Betreuungsperson benötigen (§ 2 Abs. 1). In Kombination mit der Regel, dass eine Betreuungsperson maximal drei Hündinnen mit Welpen betreuen darf (§ 3 Abs. 5), entsteht ein mathematisches und praktisches Paradoxon. Drei Würfe à vier Stunden ergibt zwölf Stunden reine Welpenbetreuung – zusätzlich zu allen anderen Aufgaben wie Fütterung, Reinigung, Dokumentation und Tierarztbesuchen. Ein 16-Stunden-Arbeitstag an sieben Tagen die Woche wäre die Folge. Dies ist niemandem zumutbar.
Die Verordnung schweigt sich darüber aus, ob der Betreuungsaufwand von 4 Stunden pro Welpe oder pro Wurf gilt, oder für alle Hunde, die sich im gleichen Raum befinden wie die Betreuungsperson. In der Regel wird angenommen, dass sie pro Wurf gelten soll. Ein Wurf kann jedoch aus drei oder zehn Welpen bestehen. Der tatsächliche Arbeitsaufwand, der proportional zur Welpenzahl steigt, wird vollkommen ignoriert, was wiederum kleine Rassen systematisch benachteiligt.
Die Vorgabe von 4 Stunden Betreuungsaufwand basiert auf einem Missverständnis: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass junge Welpen nur etwa vier Stunden täglich aktiv sind. Die Verordnung fordert also Betreuung während der gesamten Aktivitätszeit, was weit über das Notwendige hinausgeht. Eine sinnvolle Regelung würde berücksichtigen, dass eine Betreuungsperson nicht während der gesamten Aktivitätszeit des Welpen anwesend zu sein braucht:
„Welpen zwischen der 5. und 20. Lebenswoche müssen während ihrer Aktivitätsphasen altersgerecht gefördert werden. Die Förderung umfasst Sozialkontakte mit Tieren und Menschen, schrittweise Umweltgewöhnung und Lernmöglichkeiten. Bei Gruppenhaltung können mehrere Welpen gleichzeitig gefördert werden.“
Eine sinnvolle Regelung würde sich zudem am realen Arbeitsaufwand orientieren, die Betreuungszeit nach Welpenanzahl und Entwicklungsstadium differenzieren und Erfolgskriterien statt starrer Zeitvorgaben in den Mittelpunkt stellen. Eine Regelung könnte lauten:
„Eine Betreuungsperson darf maximal 15 Welpen zwischen 5 und 12 Wochen gleichzeitig betreuen, wobei die durchschnittliche Wurfgröße der Rasse zugrunde gelegt wird.“
5. Anforderungen an Gebäude – Willkürliche Vorgaben
Anforderungen an die Haltungsumgebung von Hunden sind ein zentraler Pfeiler jeder Tierschutzverordnung. Dass dabei Mindestflächen für verschiedene Funktionsbereiche definiert werden, ist grundsätzlich richtig und notwendig. Das Problem der Verordnung liegt nicht darin, dass sie Mindestflächen definiert, sondern wie sie es tut. Anstatt einer fairen, kontinuierlichen Formel, die sich an der Größe des Hundes orientiert, verwendet sie grobe und unlogische Größensprünge. Dies wurde bereits in Kapitel 3 kritisiert. Hiermit hören die Kritikpunkte jedoch keinesfalls auf. Ein genauer Blick auf die Verordnung offenbart ein Regelwerk, das einerseits willkürliche, praxisferne Details vorschreibt und andererseits wesentliche Aspekte einer professionellen, seuchenhygienischen Haltung komplett ignoriert.
5.1 Vorgaben bei Fläche und Geometrie
Zusätzlich zu den reinen Quadratmeterzahlen macht die Verordnung willkürliche Vorgaben zur Geometrie der Fläche. So heißt es in § 6 Abs. 2, dass bei der Zwingerhaltung „keine Seite kürzer als zwei Meter sein darf“. Diese starre Zwei-Meter-Regel ist eine klassische „One-Size-Fits-All“-Vorschrift, die die Realität ignoriert. Für einen Chihuahua oder einen Zwergspitz ist eine Mindestseitenlänge von zwei Metern eine absurde Vorgabe, die den verfügbaren Platz oft unpraktisch gestaltet. Umgekehrt kann eine Seitenlänge von nur 2 Metern bei sehr großen Hunden die Funktionalität der Ausläufe unnötig einschränken. Sie ist ein weiteres Beispiel für eine am Schreibtisch entworfene Regel ohne Bezug zur Vielfalt der Hunderassen und zu den praktischen Anforderungen vor Ort.
5.2 Die absurde Fensterflächenregel
Eine der kuriosesten Vorschriften der Verordnung findet sich in § 5 Absatz 1: Bei der Haltung in Räumen, die nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, muss die Fläche der Öffnungen für das Tageslicht „grundsätzlich mindestens ein Achtel der Bodenfläche betragen“. Die Begründung – ausreichend Tageslicht für die Hunde – geht an der Realität vorbei und führt zu kostspieligen, sinnlosen Umbauten.
Hunde benötigen für ihr Wohlbefinden keine riesigen Fensterflächen mit Blick zum Himmel; sie wollen sehen, was am Boden passiert – Menschen, andere Tiere, Bewegung. Ein hohes, deckennahes Fenster von zwei Quadratmetern mag die Vorschrift erfüllen, ist für den Hund aber völlig nutzlos. Ein bodennahes, langes Fenster in einem Aktivitätsbereich, das einen echten Mehrwert böte, würde die Flächenvorgabe hingegen oft nicht erfüllen. Ein Züchter berichtet, er müsse für 7.000 Euro zusätzliche Fenster in einen Stall einbauen, den seine Hunde nur nachts und bei Regenwetter nutzen, während sie tagsüber einen großen Auslauf haben. Der Nutzen für die Hunde ist null. Anstatt eine solch unsinnige und teure Regel vorzuschreiben, sollte eine moderne Verordnung lediglich eine ausreichende Beleuchtung während der Tagesstunden sowie gegebenenfalls eine für den Hund nutzbare Sichtverbindung nach außen fordern.
5.3 Die ignorierte Quarantänepflicht
Während die Verordnung irrelevante Details wie die Fensterfläche regelt, fehlt ihr jeglicher Weitblick für essentielle Aspekte einer professionellen Tierhaltung. Ein entscheidender Punkt, der in der gesamten Verordnung nicht einmal erwähnt wird, ist die Notwendigkeit von Quarantänebereichen. In jeder verantwortungsvollen Haltung mit mehreren Tieren – sei es in der Landwirtschaft oder in der Hundezucht – ist eine Möglichkeit zur Separation von Tieren unerlässlich. Ob zur Eingliederung neuer Hunde, zur Betreuung kranker Tiere oder zur Verhinderung von Seuchenausbrüchen – eine Quarantänemöglichkeit ist ein fundamentaler Baustein der Biosicherheit und des Tierschutzes. Dass eine Verordnung, die den Anspruch hat, die gewerbsmäßige Zucht zu regeln, diesen zentralen Punkt völlig ignoriert, entlarvt ihre fachliche Unzulänglichkeit.
6. Das Ausstellungsverbot – Gut gemeint, kontraproduktiv
Paragraph 10 der Tierschutz-Hundeverordnung sollte der große Wurf gegen Qualzucht werden. Hunde mit erblich bedingten körperlichen Mängeln dürfen nicht mehr ausgestellt werden – keine Hundeausstellungen, keine Zuchtschauen, keine Leistungsprüfungen, keine Beurteilung und Datenerfassung. Was auf den ersten Blick wie ein konsequenter Schritt für den Tierschutz aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Paradebeispiel für eine Regelung, die ihre eigenen Ziele sabotiert und mehr Schaden anrichtet als Nutzen stiftet.
6.1 Die Paradoxie des Verbots: Ohne Daten keine Verbesserung
Die Logik hinter dem Verbot scheint simpel: Wenn Hunde mit gesundheitlichen Problemen keine Preise mehr gewinnen können, sinkt der Anreiz, solche Tiere zu züchten. Diese Annahme ignoriert jedoch die fundamentalen Prinzipien der modernen Tierzucht. Um Erbkrankheiten in einer Population wirksam und nachhaltig zu bekämpfen, braucht es vor allem eines: Daten. Vollständige und ungeschönte Daten von möglichst allen Tieren einer Rasse – insbesondere auch von jenen, die gesundheitliche Mängel aufweisen.
Moderne, wissenschaftliche Zuchtprogramme basieren auf der Methode der Zuchtwertschätzung. Dabei werden Merkmale wie die Gesundheit von Gelenken, Augen oder Atmung systematisch erfasst, um den genetischen Wert eines Tieres für die Zucht zu berechnen. So kann die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hund Probleme an seine Nachkommen weitergibt, eingeschätzt und bei der Verpaarung berücksichtigt werden. Dieses System funktioniert aber nur, wenn alle Daten – die guten wie die schlechten – in die Berechnung einfließen.
Genau hierin besteht der fatale Fehler des Ausstellungsverbots. Es führt dazu, dass betroffene Tiere nicht mehr auf Zuchtschauen oder Körungen vorgestellt werden, wo ihre Mängel offiziell erfasst werden könnten. Sie verschwinden aus den Statistiken, werden für die Zuchtprogramme unsichtbar und verfälschen die Zuchtwerte. Ein Genetiker brachte das Problem auf den Punkt:
„Stellen Sie sich vor, Sie wollen die Verkehrsunfälle in einer Stadt reduzieren. Jetzt kommt jemand und verbietet, Unfälle zu melden. Würde das die Sicherheit erhöhen? Natürlich nicht. Genau das macht das Ausstellungsverbot mit der Hundezucht“.
6.2 Ein Rückschritt für die wissenschaftliche Zucht
Die Regelung bremst nicht nur etablierte Methoden aus, sie kappt auch eine entscheidende Feedbackschleife. Ausstellungen sind oft die einzige Gelegenheit, bei der Experten eine große Anzahl von Hunden einer Rasse vergleichend beurteilen und aufkommende Probleme frühzeitig erkennen können. Anstatt Transparenz zu schaffen, fördert das Verbot Geheimniskrämerei.
Man mag einwenden, dass auf Ausstellungen ohnehin keine Daten erfasst werden, die sich für statistische Auswertungen eignen würden. Das ist richtig und sollte geändert werden. Der entscheidende Punkt ist aber folgender: Das Ausstellungsverbot gilt entsprechend auch für alle anderen Veranstaltungen bei denen Hunde verglichen, geprüft oder sonst beurteilt werden. Es wird von den Veterinärämtern nur noch nicht konsequent überprüft.
Damit wirft die Verordnung die Hundezucht in Deutschland um Jahrzehnte zurück und würgt vielversprechende Ansätze ab, bei denen Universitäten und Zuchtverbände begannen, moderne Methoden zu etablieren. Die Lösung liegt nicht darin, Probleme zu verstecken, sondern in der Schaffung von Systemen, die eine offene und ehrliche Erfassung von Gesundheitsdaten fördern und zur Grundlage einer verantwortungsvollen, wissenschaftsbasierten Zucht machen.
7. Die ökonomische Bilanz – Wie die Verordnung den Schwarzmarkt fördert
Tierschutz kostet Geld – das ist unbestritten und gerechtfertigt. Artgerechte Haltung, gutes Futter und tierärztliche Versorgung haben ihren Preis. Die aktuelle Tierschutz-Hundeverordnung geht jedoch weit über die Sicherstellung von Mindeststandards hinaus. Durch ihre praxisfernen und undifferenzierten Vorgaben macht sie die seriöse Hundezucht in Deutschland zu einem Verlustgeschäft, bestraft Innovation und öffnet damit dem illegalen Welpenhandel Tür und Tor. Die ökonomische Blindheit der Verordnung gefährdet nicht nur Züchterexistenzen, sondern letztlich das Wohl unzähliger Hunde.
7.1 Die Kostenfalle für kleinwüchsige Rassen
Die wirtschaftliche Diskriminierung von Züchtern kleinwüchsiger Rassen zieht sich wie ein roter Faden durch die Verordnung. Der Grund liegt in der biologischen Realität, die das Gesetz ignoriert: Kleine Hunde haben kleine Würfe. Während eine Deutsche Dogge acht bis zehn Welpen wirft, sind es beim Chihuahua in der Regel nur drei. Da die Verordnung aber hohe Kosten pro Wurf oder pro Hündin verursacht (z. B. beim Platz- und Betreuungsaufwand), explodieren die Kosten pro aufgezogenem Welpen bei kleinen Rassen. Ein Züchter berichtet, dass er mit jedem Wurf seiner Norfolk Terrier Verluste macht und viele seiner Kollegen bereits aufgegeben haben. Die Zucht wird so zu einem teuren Hobby, das sich nur noch leisten kann, wer über externe finanzielle Mittel verfügt.
7.2 Unternehmerische Freiheit adé
Die Verordnung ist ein massiver Eingriff in die unternehmerische Freiheit, der Züchtern bis ins kleinste Detail vorschreibt, wie sie ihren Betrieb zu organisieren haben. Sie ist prozess- statt ergebnisorientiert: Nicht der gesunde, gut sozialisierte Hund ist das Ziel, sondern nur das Abhaken bürokratischer Vorgaben. Nicht die Aufrechterhaltung einer genetisch diversen Population mit ausreichend Zuchttieren wird gefördert, sondern die Verringerung der Zahl der Zuchttiere und die Intensivierung ihrer Nutzung. Ein Züchter sollte auch die unternehmerische Freiheit haben, nicht seinen monetären Profit, sondern die Weiterentwicklung seiner Rasse zu priorisieren. Innovation und Effizienz werden bestraft. Ein Betrieb, der mit moderner Technik wie Kameraüberwachung oder automatischen Reinigungssystemen arbeitet, wird genauso behandelt wie einer mit veralteter Ausstattung. Wer Tausende von Euro in eine hochmoderne Anlage investiert hat, muss trotzdem eine unwirtschaftliche Anzahl von Hilfskräften beschäftigen, auch wenn eine qualifizierte Fachkraft die Arbeit besser erledigen könnte.
7.3 Der Schwarzmarkt profitiert
Die wirtschaftliche Strangulierung seriöser Züchter hat einen lachenden Dritten: den Schwarzmarkt. Die Nachfrage nach Welpen ist in Deutschland mit etwa 500.000 Tieren pro Jahr ungebrochen hoch. Davon stammen jedoch nur etwa 60.000 aus kontrollierten Zuchten des VDH. Die restlichen 88 % kommen zu einem erheblichen Teil aus dem Ausland, insbesondere aus Osteuropa, wo Welpen unter tierschutzwidrigen Bedingungen produziert und billig nach Deutschland verkauft werden.
Die neue Verordnung hat diese Entwicklung massiv beschleunigt. Je teurer und komplizierter die legale Zucht in Deutschland wird, desto größer wird der Preisunterschied zu kranken, schlecht sozialisierten Billigwelpen aus dem Ausland, um die sich die Welpeninteressenten reißen um ihnen noch ein schönes Leben geben zu können – nicht beachtend, dass die Hundehändler genau hierauf setzen. Aber auch innerhalb Deutschlands blüht der Schwarzmarkt mit unkontrollierten „Hobbyzuchten“ und Hinterhofvermehrern, die von der Verdrängung der seriösen Konkurrenz profitieren. Das perfide Ergebnis: Eine Verordnung, die dem Tierschutz dienen sollte, bewirkt das genaue Gegenteil. Sie macht seriöse Zucht unwirtschaftlich und treibt Käufer in die Arme von skrupellosen Vermehrern. Am Ende leiden die Hunde.
8. Fazit: Ein Appell an Vernunft und Wissenschaft
Die vorliegende Analyse der Tierschutz-Hundeverordnung zeichnet ein ernüchterndes Bild. Was als ambitionierter Versuch zur Verbesserung des Tierschutzes gedacht war, erweist sich in der Praxis als ein kontraproduktives Regelwerk voller handwerklicher Fehler, biologischer Irrtümer und ökonomischer Fehlkalkulationen. Die Verordnung schadet ausgerechnet jenen, die sie schützen sollte – den Hunden in Deutschland –, indem sie diejenigen bestraft und aus dem Markt drängt, die sich professionell und verantwortungsvoll um ihre Zucht und Haltung bemühen.
8.1 Die Bilanz des Scheiterns
Die Mängelliste ist lang und fundamental. Sie beginnt bei formalen Defiziten wie undefinierten Begriffen und einer unlogischen Struktur, die zu massiver Rechtsunsicherheit führen. Gravierender ist die inhaltliche Fehlkonstruktion: Die Verordnung ignoriert biologische Grundsätze, wenn sie nicht zwischen Ruhe- und Aktivitätsphasen unterscheidet oder einen 16-cm-Chihuahua wie einen 49-cm-Australian Shepherd behandelt. Der Betreuungsschlüssel von maximal fünf Hunden pro Person entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und zwingt Züchter in ineffiziente Beschäftigungsmodelle. Das Ausstellungsverbot für Hunde mit körperlichen Mängeln sabotiert die modernen, datengestützten Zuchtmethoden, die für eine wirksame Bekämpfung von Erbkrankheiten unerlässlich sind.
Die Folgen sind verheerend: Die seriöse Zucht, insbesondere von kleinen und seltenen Rassen, wird in die Unwirtschaftlichkeit getrieben. Dies öffnet dem Schwarzmarkt mit Welpen aus tierschutzwidrigen Quellen Tür und Tor. Langfristig wird durch die Begünstigung weniger Deckrüden die genetische Vielfalt, das wertvollste Gut der Hundezucht, irreparabel geschädigt.
8.2 Ein gemeinsamer Weg nach vorn
Dieses Regelungsdesaster muss korrigiert werden. Es genügt nicht, sich hinter guten Absichten zu verstecken, wenn die Ergebnisse nachweislich negativ sind.
- An die Politik: Haben Sie den Mut, die Mängel dieser Verordnung anzuerkennen und eine grundlegende, wissenschaftsbasierte Reform einzuleiten. Schaffen Sie Gesetze, die in der Praxis funktionieren, nicht solche, die nur gut klingen.
- An die Wissenschaft: Bringen Sie Ihre Expertise aktiv ein. Liefern Sie die Fakten und entwickeln Sie praxistaugliche Modelle für eine Hundehaltung, die Tierschutz und Tierzucht vereint. Ihr Schweigen überlässt das Feld der Ideologie.
- An die Züchter und Verbände: Arbeiten Sie zusammen, vertreten Sie Ihre gemeinsamen Interessen und zeigen Sie proaktiv, wie verantwortungsvolle Zucht im 21. Jahrhundert aussieht.
- An alle Hundefreunde: Informieren Sie sich. Unterstützen Sie seriöse Züchter, die in die Gesundheit und das Wohl ihrer Tiere investieren, anstatt den billigsten Anbieter auf dem Markt zu wählen.
Die Hundezucht in Deutschland steht am Scheideweg. Eine grundlegende Reform der Tierschutz-Hundeverordnung ist unausweichlich und muss auf folgenden Kernforderungen basieren:
- Rechtsklarheit schaffen: Durch eindeutige, praxisrelevante Definitionen von Begriffen wie „Zucht“, „Zuchthund“ und „Betreuungsperson“.
- Biologisch fundierte Standards etablieren: Durch die Abkehr von starren Haltungskategorien hin zu einem flexiblen System aus Ruhe-, Aktivitäts- und Beschäftigungsbereichen sowie durch an die Größe und Wurfstärke der Rasse angepasste Anforderungen.
- Betreuungsaufwand realistisch bewerten: Durch eine Orientierung am tatsächlichen Arbeitsaufwand (z. B. pro Welpe oder pro Vollzeitkraft) anstatt an willkürlichen Zahlen.
- Wissenschaftliche Zucht ermöglichen: Durch die Umwandlung des pauschalen Ausstellungsverbots in eine Pflicht zur Datenerfassung, um die Gesundheit der Rassen gezielt zu verbessern.
- Innovationen fördern: Durch eine ergebnisorientierte Gesetzgebung, die Qualität und Engagement belohnt, anstatt sie durch starre Prozessvorgaben zu bestrafen.
- Verbandszugehörigkeit stärken: Durch die Verpflichtung aller Hundezüchter, sich einem anerkannten Zuchtverband anzuschließen, der Mindeststandards bei Gesundheitsprüfungen, Datenerfassung und Zuchtethik gewährleistet. Dies würde die unkontrollierte Vermehrung eindämmen und gleichzeitig die wissenschaftliche Zuchtsteuerung fördern.
Es ist Zeit, den Kurs zu korrigieren – für die Hunde, für die Zukunft und für die Vernunft.
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